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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Vorzug zu geben. Eines Tages tauchte Tonio Silva in London auf. Am Vormittag des 24. Dezember stand er bei Hugh in Chingford vor der Tür. Hugh bereitete gerade in der Küche seinen Söhnen ein Frühstück mit heißer Milch und Buttertoast. Nora war noch beim Anziehen; sie wollte nach London fahren, um trotz der Ebbe in der Haushaltskasse noch Weihnachtseinkäufe zu erledigen. Hugh hatte sich bereit erklärt, zu Hause zu bleiben und sich um die Kinder zu kümmern. In der Bank lag an diesem Tag nichts Dringliches an.
    Als es an der Tür klingelte, öffnete er selbst - eine Erfahrung, die ihn an seine Jugend in Folkestone erinnerte. Obwohl Tonio sich einen Vollbart hatte wachsen lassen - wahrscheinlich um die Narben zu verbergen, die ihm vor mittlerweile zwölf Jahren Mickys Schlägertrupp zugefügt hatte -, erkannte ihn Hugh sofort an seinem karottenroten Schopf und dem unbefangenen Grinsen. Es schneite; Tonios Hut sowie die Schultern seines Mantels waren weiß bepudert.
    Hugh führte seinen alten Freund in die Küche und schenkte ihm eine Tasse Tee ein. »Wie hast du mich gefunden?« fragte er.
    »Leicht war's nicht«, erwiderte Tonio. »In eurem ehemaligen Haus ging niemand an die Tür, und die Bank war geschlossen. Doch in Whitehaven House, bei deiner Tante Augusta, hatte ich Glück. Sie hat sich überhaupt nicht verändert. Deine genaue Adresse kannte sie nicht, aber sie wußte, daß du in Chingford lebst. Sie sprach den Namen aus, als handele es sich um eine Strafkolonie wie Van Diemen's Land.«
    Hugh nickte. »So schlimm ist es gar nicht. Den Buben geht's hier prächtig. Nora fällt die Umstellung allerdings schwer.«
    »Augusta ist nicht umgezogen.«
    »Nein. Sie trägt die Hauptverantwortung an dem Schlamassel, in dem wir gegenwärtig stecken. Trotzdem ist sie die einzige, die sich weigert, der Realität ins Auge zu sehen. Sie wird schon noch erkennen, daß es üblere Flecken gibt als Chingford.«
    »Cordoba zum Beispiel«, sagte Tonio. »Wie ist die Lage?«
    »Mein Bruder ist gefallen.«
    »Oh, das tut mir leid.«
    »Militärisch haben wir eine Pattsituation. Alles hängt jetzt von der britischen Regierung ab. Die Seite, die offiziell anerkannt wird, kann sich um neue Kredite bemühen, Nachschub für die Truppen organisieren und den Gegner bezwingen. Deshalb bin ich hier.«
    »Hat Präsident Garcia dich geschickt?«
    »Besser noch: Ich bin jetzt offizieller Botschafter von Cordoba in
    London. Miranda ist entlassen worden.«
    »Hervorragend!« Hugh war froh, daß Micky endlich abgesetzt worden war. Er hatte sich immer wieder darüber geärgert, daß ein Mann, der ihm zwei Millionen Pfund gestohlen hatte, frei in der Stadt umherlaufen und sich in Clubs, Theatern und auf Dinnerpartys vergnügen konnte, als wäre nichts geschehen. »Ich bin mit Akkreditierungsschreiben gekommen und habe sie gestern im Außenministerium übergeben«, ergänzte Tonio. »Und du meinst, es wird dir gelingen, den Premierminister zu überzeugen?«
    »Ja.«
    Hugh sah ihn fragend an. »Warum?«
    »Garcia ist Präsident. England sollte die legitime Regierung unterstützen.«
    Klingt nicht sehr überzeugend, dachte Hugh und sagte: »Bisher war das nicht der Fall.«
    »Dann sage ich eurem Premierminister eben Bescheid.«
    »Lord Salisbury hat alle Hände voll zu tun, um zu verhindern, daß in Irland das Pulverfaß explodiert, für einen fernen südamerikanischen Bürgerkrieg bleibt ihm gar nicht die Zeit.«
    »Wie dem auch sei«, sagte Tonio leicht gereizt. »Meine Aufgabe besteht jedenfalls darin, Salisbury davon zu überzeugen, daß auch die Ereignisse in Südamerika seine Aufmerksamkeit verdienen, selbst wenn er andere Dinge im Kopf hat.« Doch er erkannte die Schwäche seiner Argumente selbst und lenkte nach kurzem Nachdenken ein: »Na gut. Du bist Engländer - wie könnte man deiner Meinung nach seine Aufmerksamkeit erregen?«
    »Du könntest versprechen, britische Investoren vor Verlusten zu schützen«, erwiderte Hugh prompt.
    »Wie?«
    »Ich weiß nicht genau. Ich habe gerade laut gedacht.« Hugh verrückte seinen Stuhl. Um seine Füße herum errichtete der vierjährige Sol eine Burg aus Holzbauklötzen. Es war merkwürdig - da führten sie in der kleinen Küche eines billigen Vororthäuschens ein Gespräch, in dem das Schicksal eines ganzen Landes entschieden werden konnte. »Britische Geldgeber haben zwei Millionen Pfund in die Santamaria Harbour Corporation investiert. Größter Einzelinvestor war das Bankhaus Pilaster.

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