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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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gespielter Sorglosigkeit, die seine innere Unruhe verbergen sollte. »Bis jetzt besteht noch kein Grund zur Eile«, erklärte Papa. »Zu Hause fängt jetzt der Winter an. Vor dem nächsten Sommer wird es keine Kämpfe geben.« Er sah Micky streng ins Gesicht. »Aber bis Ende Oktober muß ich die Waffen haben.« Sein Blick ließ Micky die Knie zittern, und er mußte sich an das steinerne Brückengeländer lehnen, um nicht ins Schwanken zu geraten. »Keine Sorge, Papa«, sagte er ängstlich, »ich kümmere mich darum.«
    Papa nickte, als könne es gar keinen Zweifel daran geben. Eine Minute lang sprach keiner von beiden ein Wort. Dann verkündete Papa wie aus heiterem Himmel: »Ich will, daß du in London bleibst.« Mickys Schultern entspannten sich vor Erleichterung. Genau das hatte er sich erhofft! Er mußte also bis jetzt alles richtig gemacht haben. »Das wäre vielleicht gar nicht so schlecht, Papa«, erwiderte er, seine Begeisterung sorgfältig verbergend. Dann ließ Papa die Bombe platzen: »Aber auf deine Monatswechsel mußt du verzichten.«
    »Was?«
    »Die Familie kann nicht für deinen Unterhalt aufkommen. Das mußt du selber tun.«
    Micky war entsetzt. Zwar war Papas Geiz ebenso legendär wie seine Brutalität - doch das kam nun doch unerwartet! Die Mirandas waren keineswegs arm. Papa besaß Tausende von Rindern und das Monopol über den gesamten Pferdehandel in einem riesigen Gebiet. Er verpachtete Land an Kleinbauern, und außerdem gehörten ihm fast alle Läden in der Provinz Santamaria. In England, das stimmte natürlich, war ihr Geld nicht allzuviel wert. Zu Hause in Cordoba bekam man für einen Silberdollar ein erstklassiges Menü, eine Flasche Rum und eine Hure für die Nacht - hier reichte er allenfalls für einen Imbiß und ein Glas dünnes Bier. Diese Erkenntnis hatte Micky, als er als Schüler nach Windfield kam, wie ein Schlag getroffen. Obwohl es ihm im Laufe der Zeit gelungen war, sein Taschengeld mit Gewinnen beim Kartenspiel aufzubessern, war er immer nur sehr knapp über die Runden gekommen. Erst durch die Freundschaft mit Edward besserte sich seine finanzielle Lage. Selbst heute noch kam Edward für alle Kosten auf, die bei ihren gemeinsamen Unternehmungen anfielen. Edward zahlte die Eintrittskarten für Opern und Pferderennen, finanzierte ihre Jagdausflüge und entlohnte ihre Huren. Dennoch kam Micky ohne ein gewisses Grundeinkommen nicht aus - er mußte seine Miete zahlen und die Schneiderrechnungen, mußte für die Mitgliedsgebühren in den Herrenclubs, die ein unverzichtbarer Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens in London waren, ebenso aufkommen wie für Trinkgelder. Wo sollte das Geld denn herkommen? Erwartete Papa von ihm, daß er eine Stelle annahm? Allein der Gedanke daran war entsetzlich. Kein einziger Miranda verdingte sich für Lohn.
    Er wollte gerade fragen, wie er ohne Geld sein Leben fristen sollte, als Papa abrupt das Thema wechselte und sagte: »Ich will dir jetzt sagen, wofür die Gewehre bestimmt sind. Wir werden uns die Wüste aneignen.«
    Micky war perplex. Die Ländereien der Mirandas erstreckten sich über ein riesiges Areal der Provinz Santamaria, an die der kleinere Besitz der Familie Delabarca angrenzte. Das Land im Norden der beiden Territorien war dermaßen unfruchtbar, daß bisher weder Papa noch sein Nachbar Anspruch darauf erhoben hatte. »Wozu brauchen wir denn die Wüste?« fragte Micky. »Unter dem Sand liegt ein Mineral namens Salpeter. Es wird als Dünger benutzt und ist viel besser als Mist. Er läßt sich per Schiff in die ganze Welt transportieren und zu hohen Preisen verkaufen. Das ist der Grund, weshalb ich dich in London lasse: Du sollst den Verkauf in die Hand nehmen.«
    »Woher wissen wir, daß das Zeug wirklich dort liegt?«
    »Delabarca hat schon angefangen, es abzubauen. Der Salpeter hat seine Sippe reich gemacht.«
    Das war in der Tat eine aufregende Nachricht. Micky spürte, daß sich hier die Möglichkeit auftat, dem Schicksal der Familie eine neue Zukunftsperspektive zu geben. Natürlich würde es Zeit brauchen und das kurzfristige Problem, woher er das Geld für sein tägliches Leben nehmen sollte, nicht lösen können. Aber auf lange Sicht ...
    »Wir müssen uns ranhalten«, sagte Papa. »Reichtum ist Macht, und es wird nicht mehr lange dauern, bis die Delabarcas mächtiger sind als wir. Bevor es soweit kommt, müssen wir sie vernichten.«
     

2. Kapitel
    Juni 1873
     
     
     
    W HITEHAVEN H OUSE
    Kensington Gore London, S.W.
    den

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