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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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und April nicht einmal das. »Na, und was treibst du so?« fragte er.
    »Ich bin Attache an der Botschaft Cordobas in London«, antwortete Tonio.
    »Ach tatsächlich!« Die Mitteilung machte Micky neugierig. Während die meisten südamerikanischen Länder keine Notwendigkeit darin sahen, in London diplomatische Vertretungen zu unterhalten, war Cordoba seit zehn Jahren durch einen Botschafter repräsentiert. Tonio verdankte den Posten zweifellos seiner Familie, den Silvas, die in Cordobas Hauptstadt Palma über hervorragende Verbindungen verfügte. Verglichen mit ihnen, war Papa ein einflußloser Provinzfürst.
    »Worin besteht deine Arbeit?« fragte Micky.
    »Ich beantworte Briefe britischer Firmen, die in Cordoba Geschäfte machen wollen. Sie erkundigen sich nach dem Klima, der Währung, den Verkehrsverbindungen, den Hotels und solchen Sachen.«
    »Arbeitest du ganztägig?«
    »Nur manchmal.« Tonio senkte die Stimme. »Sag's ja nicht weiter, aber meistens habe ich am Tag nicht mehr als zwei oder drei Briefe zu schreiben.«
    »Wirst du bezahlt?« Viele Diplomaten waren finanziell unabhängig und arbeiteten ohne Entgelt.
    »Nein. Aber ich habe ein Zimmer in der Residenz des Botschafters. Das Essen ist frei, und ich bekomme eine Kleidungszulage. Außerdem werden mir die Mitgliedsbeiträge für die Clubs erstattet.«
    Micky war fasziniert. Das wäre der ideale Job für mich, dachte er voller Neid. Freie Unterkunft und Verpflegung sowie ein Zuschuß für die üblichen Auslagen eines jungen Mannes in dieser Stadt - und das alles für eine Stunde Arbeit am Vormittag! Ob es eine Chance gab, Tonio aus dieser Stellung zu verdrängen? Edward kam mit fünf gefüllten Brandygläsern zurück und verteilte sie. Micky leerte das seine mit einem Zug. Das Getränk war ebenso billig wie stark.
    Der Hund begann unvermittelt zu knurren, riß an der Kette und fing an, wie verrückt im Kreis herumzulaufen. Seine Nackenhaare waren gesträubt.
    Micky drehte sich um und sah zwei Männer hereinkommen, die einen großen Käfig mit riesigen Ratten mit sich führten. Die Ratten waren noch wilder als der Hund. Sie rannten sich gegenseitig über den Haufen und kreischten vor Angst. Inzwischen bellten alle Hunde im Raum, und ihre Besitzer brüllten sie an, um sie zum Schweigen zu bringen. Es herrschte ein ohrenbetäubender Lärm.
    Der Eingang wurde von innen verschlossen und mit einer Eisenstange zusätzlich gesichert. Der Mann im verschmierten Mantel nahm die ersten Wetten entgegen. »Mein Gott«, sagte Hugh Pilaster, »ich habe noch nie so große Ratten gesehen. Wo kriegen sie die bloß her?«
    »Sie werden extra für die Kämpfe gezüchtet«, erklärte Edward und wandte sich an einen der Männer, die die Rattenkäfige hereingebracht hatten. »Wie viele bei dieser Runde?«
    »Sechs Dutzend«, erwiderte der Mann.
    »Das heißt, sie schicken diesmal zweiundsiebzig Ratten in die Grube«, erläuterte Edward.
    »Und wie funktioniert das mit den Wetten?« fragte Tonio. »Du kannst entweder auf den Hund oder auf die Ratten setzen. Wenn du glaubst, daß die Ratten gewinnen, kannst du auf die Anzahl der Ratten setzen, die beim Tod des Hundes noch am Leben sind.«
    Der ungewaschene Mann rief die Gewinnchancen aus. Für das Geld, das er entgegennahm, gab er Zettel aus, auf die er mit einem dicken Stift bestimmte Zahlen kritzelte.
    Edward setzte ein Pfund auf den Hund, Micky einen Shilling auf sechs überlebende Ratten. Gewann er, so war ihm das Fünffache des Einsatzes sicher. Hugh lehnte es ab, sich an der Wetterei zu beteiligen. Alter Langweiler, dachte Micky.
    Die Arena war ungefähr 1,30 Meter tief und von einem annähernd gleich hohen Holzzaun umgeben. Primitive Leuchter, die in regelmäßigen Abständen rings um den Zaun herum angebracht waren, tauchten die Grube in grelles Licht. Nachdem man ihm den Maulkorb abgenommen hatte, wurde der Hund durch eine Holztür in die Arena gelassen. Dort blieb er mit gestrafften Beinen stehen, starrte angriffslustig nach oben und wartete auf die Ratten. Die Rattenträger hoben den Käfig. Einen Augenblick herrschte gespannte, erwartungsvolle Stille.
    Plötzlich sagte Tonio: »Zehn Guineen auf den Hund.« Micky war überrascht. So wie Tonio sich über seinen Job und dessen Erfordernisse äußerte, gewann man den Eindruck, daß er mit seinem Geld recht sparsam umgehen mußte. Hatte er geschwindelt? Oder riskierte er Wetten, die er sich nicht leisten konnte?
    Auch für den Buchmacher war die Wette riskant. Doch nach

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