Die Pfeiler der Macht
es mit mindestens drei Kartenspielen gespielt wurde. Das hieß, daß der Betrüger ein viertes Spiel benutzen und bei Bedarf eine Karte aus seinem Ärmel ziehen konnte, ohne sich darüber den Kopf zerbrechen zu müssen, ob einer der anderen Spieler die gleiche Karte in der Hand hielt. Die anderen waren noch damit beschäftigt, ihre Plätze zu wählen und ihre Zigarren anzuzünden, da bat Micky den Kellner auch schon um drei neue Päckchen Spielkarten. Als der Mann kurz darauf zurückkam, händigte er wie selbstverständlich die Karten Micky aus.
Wenn er das Spiel kontrollieren wollte, mußte Micky die Karten verteilen, und da dies die Aufgabe des Bankhalters war, kam es zuerst darauf an, Bankhalter zu werden. Dazu waren zwei Tricks erforderlich: Er mußte das Abheben rückgängig machen und beim Geben die oben liegende Karte sich selbst zuschanzen. Beides war verhältnismäßig einfach, nur war er vor Aufregung innerlich fast erstarrt. In dieser Verfassung konnte selbst der leichteste Trick schiefgehen. Er öffnete die versiegelten Päckchen. Die Karten waren immer gleich geordnet: Oben lagen die Joker, unten das Pik As. Micky nahm die Joker heraus und begann zu mischen. Die neuen Karten waren glatt und sauber und schmeichelten seiner Haut. Nichts war einfacher, als ein As vom Grund eines Kartenstapels nach oben zu befördern. Worauf es ankam, war, daß das As nachher beim
Abheben oben blieb.
Er legte die Karten vor Solly, der rechts von ihm saß, auf den Tisch und zog die Hand, ehe er den Stapel freigab, ein winziges Stück zusammen, so daß die oberste Karte - Pik As - in seiner Hand verborgen blieb. Solly hob ab. Micky nahm den Stapel wieder an sich; das As lag wieder obenauf. Die Klippe beim Abheben war erfolgreich umschifft.
»Wer die höchste Karte zieht, übernimmt die Bank, ja?« Er bemühte sich um einen neutralen Tonfall, als wäre es ihm egal, ob die anderen einverstanden waren oder nicht. Zustimmendes Gemurmel war die Antwort.
Er verstärkte seinen Griff um den Kartenstapel, ließ das zuoberst liegende As ein paar Millimeter zurückrutschen und teilte schnell aus. Die anderen bekamen reihum jeweils die zweite Karte des Stapels, bis er selbst an der Reihe war und sich das Pik As gab. Alle Teilnehmer drehten die ihnen zugeteilte Karte um. Nur Micky hatte ein As, also war er der Bankhalter. Er zwang sich zu einem verhaltenen Lächeln. »Ich glaube, heute abend wird mir das Glück gewogen sein«, sagte er. Niemand ging auf die Bemerkung ein.
Micky ließ sich seine Erleichte r ung nicht anmerken und gab das erste Blatt aus.
Tonio spielte links von ihm, ebenso wie Edward und Vicomte Montagne. Rechts von ihm saßen Solly und Captain Carter. Micky wollte an diesem Abend nicht gewinnen; es entsprach nicht seinem Plan. Heute kam es nur darauf an, daß Tonio Silva verlor.
Eine Zeitlang spielte er fair und verlor ein wenig von Augustas Geld. Die anderen entspannten sich und bestellten neue Drinks. Als die Zeit reif war, zündete Micky sich eine Zigarre an. In der Innentasche seines Fracks, gleich neben der Zigarrenschachtel, befand sich ein weiteres Kartenspiel. Es stammte aus demselben Papierwarengeschäft in der St. James's Street, bei dem auch der Club einkaufte, und war daher nicht von den anderen zu unterscheiden.
Micky hatte das zusätzliche Spiel so geordnet, daß ein siegreiches Blatt nach dem anderen folgte, also jeweils neun Augen ergab: Vier und Fünf, Neun und Zehn, Neun und Bube und so weiter. Die übrigen Karten, überwiegend Zehner und niedrige Karten, hatte er aussortiert und zu Hause gelassen.
Er steckte die Zigarrendose wieder in die Tasche, holte unter der Hand den präparierten Extrastapel hervor und nahm mit der anderen Hand den auf dem Tisch liegenden Stapel auf. Dann ließ er die neuen Karten unter den alten Stoß gleiten. Während sich die anderen ihre Brandys mit Soda mixten, mischte Micky Miranda die Karten auf seine Art, das heißt, er achtete sorgfältig darauf, daß zunächst eine Karte von unten nach oben kam. Auf diese folgten zwei beliebige, danach kam wieder eine von unten nach oben und zum Schluß folgten noch einmal zwei beliebige. Dann verteilte er die Karten: die erste an den Mitspieler zur Linken, die zweite an den zur Rechten. Die dritte gab er sich selbst. Jeder erhielt eine zweite Karte - und das siegreiche Paar gehörte Micky.
Beim nächstenmal teilte er Solly ein erfolgreiches Blatt zu und hielt sich auch in den nächsten Runden daran; konsequenterweise gewann
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