Die Pfeiler der Macht
seine eigenen Karten um. Er hatte sich eine Acht und ein As gegeben, also insgesamt neun Augen.
Edward drehte das linke Blatt um. Micky kannte die Karten nicht; er wußte zwar, was er selbst bekam, hatte den anderen jedoch beliebige Karten gegeben. Edward hatte eine Fünf und eine Zwei. Er und Captain Carter hatten ihr Geld verloren. Solly drehte nun das Blatt um, auf das Tonio seine Zukunft gesetzt hatte.
Er hatte eine Neun und eine Zehn. Sie zählten zusammen neun. Das entsprach dem Ergebnis der Bank; es gab also weder einen Gewinner noch einen Verlierer. Tonio behielt seine fünfzig Pfund.
Micky unterdrückte einen Fluch.
Tonio soll die fünfzig Sovereigns liegen lassen, wo sie sind, dachte er und sammelte die Karten schnell ein. Mit einem spöttischen Unterton fragte er: »Willst du den Einsatz verringern, Silva?«
»Bestimmt nicht«, erwiderte Tonio. »Und nun gib endlich.« Micky dankte seinem glücklichen Stern und verteilte die Karten. Auch diesmal gab er sich ein Siegerblatt.
Edward tippte auf seine Karten, was besagte, daß er eine Zusatzkarte wollte. Micky gab ihm eine Kreuz Vier und wandte sich an Solly.
Solly paßte.
Micky drehte seine Karten um - eine Fünf und eine Vier. Edwards Vier war bekannt. Er drehte die anderen Karten um - eine weitere Vier und einen wertlosen König, also insgesamt acht Augen. Edward hatte verloren.
Solly drehte eine Zwei und eine Vier um. Die rechte Seite hatte ebenfalls an den Bankhalter verloren. Und Tonio war ruiniert.
Er erbleichte und sah aus, als wäre ihm körperlich übel. Er stammelte ein paar Worte, in denen Micky einen spanischen Fluch ausmachte.
Micky verkniff sich ein triumphierendes Grinsen und zog seinen Gewinn ein. Im gleichen Augenblick sah er etwas, das ihm den Atem raubte und seinen Herzschlag vor schierem Entsetzen zum Stocken brachte. Auf dem Tisch lag viermal die Kreuz Vier.
Alle Beteiligten gingen davon aus, daß mit drei Kartensätzen gespielt wurde. Jedem, dem die vier identischen Vierer auffielen, würde sofort klar sein, daß dem Stapel weitere Karten beigemischt worden waren.
Genau darin lag das Risiko, daß diese Art der Falschspielerei barg. Allerdings war die Chance, daß vier gleiche Karten gleichzeitig offenlagen, sehr gering - etwa eins zu einhunderttausend. Wenn die Regelwidrigkeit herauskam, war Micky ruiniert, nicht Tonio.
Zum Glück hatte bisher noch niemand etwas gemerkt. Da eine Folge gleicher Karten für den Spielverlauf bedeutungslos war, fiel die Unregelmäßigkeit nicht sofort ins Auge. Mickys Herz raste. Rasch nahm er die Karten auf. Gott sei Dank, dachte er, ich bin noch einmal davongekommen! Doch im gleichen Moment sagte Edward:
»Moment mal - da lag viermal Kreuz Vier auf dem Tisch.«
Dieses Trampeltier, dachte Micky verbittert. Edward hatte lediglich laut gedacht. Von Mickys Plan hatte er natürlich nicht die geringste Ahnung.
»Unmöglich«, bemerkte Vicomte Montagne. »Wir spielen mit drei Spielen. Es gibt also nur dreimal die Kreuz Vier.«
»So ist es«, sagte
Edward.
Micky zog an seiner Zigarre. »Du bist betrunken, Pilaster. Da war eine Pik Vier dabei.«
»Wirklich? Tut mir leid ...«
»Wer kann so spät in der Nacht noch zwischen Pik und Kreuz unterscheiden?« fragte Vicomte Montagne.
Wieder dachte Micky: Glück gehabt, ich bin noch einmal davongekommen - und wieder erwies sich seine Hochstimmung als verfrüht.
»Schauen wir uns die Karten an«, sagte Tonio angriffslustig. Mickys Herz schien aussetzen zu wollen. Die Karten der jeweils letzten Runde wurden auf einen Stapel gelegt, der, sobald die letzte Karte vergeben war, gemischt und neuerlich benutzt wurde. Die vier Kreuz Vieren befanden sich unter den ersten sieben Karten. Drehte sie jemand um, war Micky erledigt.
Verzweifelt sagte er: »Ich hoffe doch sehr, du ziehst meine Ehrlichkeit nicht in Zweifel.«
Das war, unter Gentlemen in einem Herrenclub, eine hochdramatische Herausforderung. Die Zeiten, da eine solche Frage unweigerlich zum Duell geführt hätte, waren noch nicht lange vergangen. An den Nachbartischen begann man aufzusehen und verfolgte gebannt den Gang der Ereignisse. Alle warteten auf Tonios Antwort.
Micky dachte fieberhaft nach. Er hatte behauptet, eine der Vieren sei nicht Kreuz, sondern Pik gewesen. Eine Pik Vier oben auf dem Stapel der abgelegten Karten hätte seine Behauptung bestätigt. Sie mußte nur irgendwie dorthin kommen. Wenn er Glück hatte, würde sich dann niemand mehr um die restlichen Karten des Stapels
Weitere Kostenlose Bücher