Die Pfeiler des Glaubens
Arbeit im Marstall an! Lern etwas dazu! Wir kümmern uns um alles andere.«
Karim hatte sich im Dunkel der kühlen Märznacht mit einem aufmunternden »Wir vertrauen dir!« verabschiedet … Sie zählten auf ihn. Aber bei was? Hatten sie etwa eine neue Aufgabe für ihn?
Hernando spazierte über den Campo Real, dessen Boden wie immer mit Abfällen bedeckt war, und sah zum majestätischen Alcázar hinauf – die ehemalige Residenz der Katholischen Könige in Córdoba. Beim Anblick der vier Ecktürme der zinnenbewehrten Festungsmauern erstarrte er vor Ehrfurcht. Genau dort, hinter dem Alcázar, lag der königliche Marstall. Schon von Weitem nahm Hernando den Geruch der Pferde wahr. Dann hörte er die Rufe der Reitknechte und das Wiehern der Tiere. Er blieb am imposanten Eingangstor stehen.
Es stand offen, und die Geräusche und Gerüche wurden noch intensiver. Niemand bewachte den Eingang, und so ging Hernando nach kurzem Zögern hinein. Links von ihm öffnete sich ein Gebäudeflügel mit einem langen, breiten Mittelgang, an dessen Seiten sich zwischen Säulen die Pferdeboxen befanden.
Hernando bog in den Mittelgang und schnalzte einmal laut mit der Zunge, damit die beiden an massiven Metallringen festgebundenen Pferde zu seiner Rechten aufhörten, sich gegenseitig in die Hälse zu beißen.
»Das machen sie immer«, sagte plötzlich jemand hinter ihm. Hernando drehte sich um und zuckte zusammen, als der Mann, der ihn angesprochen hatte, laut mit der Zunge schnalzte. »Suchst du jemanden?«
Der Mann vor ihm wirkte groß und drahtig. Er war gut, aber nicht übertrieben gekleidet: Reitstiefel bis über die Knie, enge Hosen und ein helles Wams. Der Mann musterte ihn von Kopf bis Fuß und sah ihn wohlwollend an. Wie oft hatte Hernando das bislang in Córdoba erlebt? Er lächelte zurück.
»Ja«, antwortete er. »Ich suche den Lakaien von Don Diego … López?«
»De Haro«, ergänzte der Mann freundlich. »Wer bist du?«
»Hernando.«
»Hernando, und weiter?«
»Ruiz. Hernando Ruiz.«
»Also, Hernando Ruiz. Don Diego hat viele Lakaien, welchen von ihnen suchst du?«
Hernando zuckte mit der Schulter.
»Gestern, beim Stierkampf …«
»Ach, jetzt weiß ich Bescheid«, unterbrach ihn der Mann. »Du hast dem Grafen von Espiel den Hengst auf die Plaza de la Corredera gebracht, oder? Irgendwie kam mir dein Gesicht gleich bekannt vor«, sagte er noch, als Hernando nickte. »Du hättest dem Grafen nicht helfen sollen. Ich hätte ihn lieber zu Fuß vom Platz gehen sehen. Es ist kein Sieg, wenn der Stier das Pferd tötet, nur weil der Reiter vollkommen unfähig ist. Es war ein edles Tier«, murmelte er vor sich hin. »Eigentlich müsste ihm der König das Reiten verbieten, zumindest wenn ein Stier in der Nähe ist … oder eine Frau. Gut, aber jetzt weiß ich, wen du suchst. Komm mit.«
Sie verließen die Stallungen und gelangten in einen riesigen Innenhof. Hier waren drei Männer gerade dabei, die Pferde einzureiten: Zwei saßen auf stolzen Tieren, während der dritte – in dem Hernando Don Diegos Lakaien wiedererkannte – ein zweijähriges Pferd zwang, im Kreis um ihn herumzutraben. Es sollte dabei immer den Abstand einhalten, den der Führstrick zuließ.
»Das ist der, den du suchst«, sagte der Mann und zeigte auf den Lakaien. Hernando nickte. »José Velasco. Ich bin übrigens Rodrigo García.«
Hernando zögerte etwas, als er Rodrigos ausgestreckte Hand sah. Er war es nicht gewöhnt, dass Christen ihm die Hand reichten.
»Ich … ich bin Moriske«, sagte er schnell.
»Das weiß ich«, erwiderte dieser unbeeindruckt. »José hat es mir heute Morgen erzählt. Aber hier sind wir alle nur Reiter, Stallknechte, Schmiede, Zaumzeugmacher und so weiter. Die Pferde sind unsere Religion. Aber hüte dich davor, so etwas im Beisein eines Geistlichen oder gar eines Inquisitors zu sagen.«
Hernando gab Rodrigo die Hand und spürte, dass dessen Händedruck herzlich gemeint war.
Das im Kreis laufende Pferd war ins Schwitzen geraten, und José Velasco führte es zu einer Steinbank. Dann stellte er sich auf die Bank, und mithilfe eines Stallburschen, der das Tier hielt, saß er vorsichtig auf. Die anderen beiden Reiter unterbrachen ihre Arbeit.
»Das ist das erste Mal«, flüsterte Rodrigo so leise zu Hernando, als könnte ein normaler Tonfall ein Unglück heraufbeschwören.
Velasco hielt in der einen Hand eine lange Gerte, in der anderen lagen sowohl die Zügel als auch der Führstrick. Er wartete einige Sekunden ab, um
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