Die Pfeiler des Glaubens
zu sehen, wie das Jungtier reagierte, aber als es sich nicht rührte und angespannt auf der Stelle stehen blieb, sah er sich gezwungen, es sanft anzutreiben. Zuerst schnalzte er mit der Zunge, aber als es sich immer noch nicht bewegte, führte er die Hacken seiner sporenlosen Reitstiefel so weit nach hinten, dass er die Flanken des Pferdes streifte. In dem Moment wieherte das Tier jäh auf und buckelte kurz. Velasco konnte den Stoß geschickt abfangen, und das junge Pferd kam sofort wieder zum Stehen.
»Ja«, stellte Rodrigo fest. »Es ist gut erzogen.«
Und genauso war es. Beim zweiten Versuch war das Tier zwar immer noch scheu, aber es bockte nicht mehr. Velasco lenkte es nur über den sanften Zug am Führstrick und ohne jeden Schlag. Er musste ihm höchstens die Gerte neben den Kopf halten, um es in eine Richtung zu leiten. Dabei sprach er ruhig mit dem Tier und klopfte ihm den Hals.
Die etwa einhundert reinrassigen spanischen Pferde im königlichen Marstall waren vollkommene Tiere, auserwählte Nachkommen der etwa sechshundert Zuchtstuten, die unter Stein- und Korkeichen in der Umgebung von Córdoba weideten. Hamid hatte Hernando erklärt, dass der König die Zucht einer neuen Pferderasse 1567 in Auftrag gegeben hatte. Hierfür hatte er die besten eintausendzweihundert Stuten aus seinem gesamten Hoheitsgebiet erworben, aber nur die wenigsten Zuchtstuten konnten die gewünschten Qualitätskriterien erfüllen, und die Herde wurde halbiert. Außerdem wies der König an, die Erträge der Salinen für dieses Projekt aufzuwenden, also auch für den Bau des königlichen Marstalls in Córdoba und die Pacht oder den Kauf von Weidegebieten für die Stuten. Mit der Gesamtleitung des Vorhabens betraute er den Granden Don Diego López de Haro.
Die neue spanische Pferderasse sollte einen kleinen Kopf, wache Augen und einen biegsamen Hals haben, der am Nacken leicht gewölbt und am Ansatz zur Mähne kräftig war. Mähne und Schweif sollten lang und dicht sein, der Rücken kurz und wendig. Das Wichtigste an diesen wertvollen Pferden war aber ihre Anmut. Sie sollten in ihrer Bewegung graziös sein und die muskulösen Beine beim Galopp mit einer Eleganz und Leichtigkeit fliegen lassen, als würde keiner der Hufe die glühende andalusische Erde auch nur berühren. Die spanischen Pferde sollten stolz und edel sein – und vor allem sollten sie der Welt ihre Schönheit auch zeigen wollen.
In seinen sechs Jahren als Oberster Pferdezüchter suchte Don Diego López de Haro auf den Weidegebieten außerhalb von Córdoba nur die Fohlen aus, die all diesen hohen Anforderungen entsprachen. Der königliche Marstall setzte für die Weiterzucht nur auf vollendete Tiere. Immerhin beanspruchte der König für sie die Bezeichnung » spanische Rasse « .
José Velasco beauftragte Hernando mit der Versorgung der Jungtiere. Im März wurden die Einjährigen von den Weiden in die Stallungen der Stadt geholt und ersetzten die mittlerweile gezähmten Pferde, die zur Übergabe an König Philipp nach Madrid und zum königlichen Marstall von El Escorial gebracht wurden. Kein einziges Pferd der spanischen Rasse, das Don Diego für vollendet hielt, durfte verkauft werden. Sie waren allein für den König bestimmt – für seine Privatställe oder als Geschenke an andere Monarchen, Adlige oder Kirchenfürsten.
Bei ihrer Ankunft im Marstall waren die Jungtiere zunächst noch wild. Es gab viel zu tun, bis sie mit zwei Jahren an den Sattel gewöhnt und zum ersten Mal geritten wurden. Sie mussten zunächst ihre Scheu vor den Menschen verlieren, damit man sie putzen, aufzäumen u nd notfalls auch heilen konnte, und es dauerte einige Zeit, bis sie sich mit ihrem neuen Leben im Stall abgefunden hatten, wo sie an Eisenringen festgebunden waren und mit anderen Pferden auf engstem Raum beieinanderstanden. Sie mussten lernen, aus der Futterkrippe zu fressen und aus dem Trog zu trinken, sie mussten auf den Zug am Führstrick reagieren und das Sattelgewicht ertragen lernen, damit man schließlich auf ihnen reiten konnte. Für die jungen Pferde, die bislang auf den Weiden in Freiheit gelebt hatten, waren das alles neue Erfahrungen.
Hernando träumte davon, eines dieser großartigen Pferde selbst zu reiten, wurde aber schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, als man ihm seine Aufgaben erklärte. Dafür ging für ihn aber ein anderer Traum in Erfüllung: Über den Stallungen im königlichen Marstall lagen die Räumlichkeiten für die Angestellten, und
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