Die Pfeiler des Glaubens
Hernando bekam eine großzügige Unterkunft mit zwei Zimmern zugewiesen. Lediglich die Küche musste er sich mit zwei anderen Familien teilen. Noch nie in seinem Leben hatte er so viel Platz für sich gehabt! Weder in Juviles und erst recht nicht in Córdoba. Hernando ging in diesen zwei Zimmern auf und ab. Das Mobiliar war einfach, zweckmäßig und in gutem Zustand. Es gab einen Tisch mit vier Stühlen, ein Bett mit Laken und Decke, eine kleine Kommode mit einer großen Wasserschüssel – endlich konnte er sich waschen! – und sogar eine Truhe. Er lächelte und ging zum großen Fenster mit Blick auf den Innenhof des Marstalls. Er sah, wie Rodrigo dort gerade einen Grauschimmel die gleiche Übung immer wiederholen ließ. Die Silbersporen des Reiters blitzten in der Märzsonne auf, als er sie dem Pferd in die Flanken stieß.
»Und wo ist eigentlich deine Frau?«, fragte der Verwalter, der Hernando durch die Zimmer geführt hatte. »In deinen Papieren steht, dass du verheiratet bist.«
Hernando hatte mit dieser Frage gerechnet.
»Sie kümmert sich im Moment um einen kranken Verwandten«, war seine Antwort. »Sie kann den armen Mann nicht im Stich lassen.«
»Aber ihr müsst euch«, riet ihm der Verwalter, »auf jeden Fall im Pfarrbezirk San Bartolomé als Einwohner registrieren lassen. Ich hoffe, dass es für deine Frau kein Problem ist, den armen Kranken wenigstens für diese kurze Zeit allein zu lassen.«
Diese Auflage traf Hernando unvorbereitet. Das könnte in der Tat ein Problem werden, denn noch war Fatima nicht seine Frau. Karim blieb unnachgiebig: Sie mussten die zweimonatige Frist abwarten, ohne sich zu sehen. Hernando verscheuchte schnell den Gedanken daran, was geschehen würde, wenn es Ibrahim doch gelang, ausreichend Geld aufzutreiben.
Es war spät geworden, also konnte er nicht einfach so in die Stadt zurückkehren. Ibrahim legte sich eine Ausrede zurecht, die er nachher am Stadttor vorbringen könnte. Während es langsam immer dunkler wurde, kauerte er im Gebüsch und beobachtete den Weg, der von der Venta de los Romanos durch die Puerta de Sevilla in die Stadt führte. Nur wenige und vor allem ausnahmslos bewaffnete Händlergruppen waren um diese Uhrzeit noch unterwegs. Ibrahim hatte sich von einem Morisken, der zusammen mit ihm auf dem Feld arbeitete, einen Faustdolch ausgeliehen.
»Aber pass gut darauf auf!«, hatte ihn der Mann gewarnt. »Wenn du damit erwischt wirst, nehmen sie dich fest und beschlagnahmen außerdem noch meinen Dolch.«
Die Waffe war leicht zu verstecken, und in der großen Menschenmenge, die am frühen Abend nach der Feldarbeit immer zurück nach Córdoba strömte, hatte er sie unbemerkt bis hierher schmuggeln können. Aber jetzt – nachts, allein und bewaffnet – vor dem Stadttor in der Dunkelheit zu hocken, war mehr als riskant.
Eine Händlergruppe nach der anderen zog an seinem Versteck vorbei. Er musste sich eingestehen, dass er es mit so vielen bewaffneten Männern kaum allein aufnehmen konnte.
»Den nächsten Unbewaffneten nehme ich mir vor«, sprach er sich Mut zu.
Er wollte sich gerade zwei Frauen, die mit ihren Gemüsekörben nach Córdoba eilten, in den Weg stellen, als er sah, dass sie an ihren Handgelenken und Knöcheln nicht einmal Schmuck aus Eisen trugen. Was sollte er schon mit einem Korb Gemüse anfangen?
Von den zwei Monaten, die ihm der Ältestenrat als Frist zugestanden hatte, war bereits mehr als die Hälfte verstrichen. Ibrahim hatte abgesehen von seinem Hungerlohn keinen einzigen Real verdient. Zudem musste er immer noch einen Teil der Schulden für Shamirs Taufe abbezahlen. Der Nazarener würde Fatima bekommen. Doch nicht einmal dieser quälende Gedanke flößte ihm den nötigen Mut ein, um ein halbes Duzend Christen zu überfallen.
Ibrahim wusste von Hernandos beruflichem Aufstieg. Aischa hatte ihm davon erzählt, und als sie merkte, dass ihr Mann nicht gewalttätig wurde, sondern sich vielmehr zurückzog, erschrak sie angesichts der Tragweite der Geschehnisse: Ibrahim würde Fatima verlieren. Wie demütigend musste es für ihn sein! Ibrahim, der ehemalige Stellvertreter von Aben Aboo! Und seinem Stiefsohn, den er immer verachtet hatte, ging es bestens – er hatte eine gut bezahlte Arbeit und nahm ihm zu allem Überfluss auch noch seine kostbare Fatima weg.
»Bitte doch die Monfíes in der Sierra Morena um Geld«, riet ihm am nächsten Morgen der befreundete Moriske, als Ibrahim ihm die Waffe zurückgab. »Die brauchen immer Männer, die
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