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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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Augenblicke lang: Er war gut gekleidet, trug Reitstiefel, und war wohl nur eine der vielen kuriosen Persönlichkeiten, die in dem bunten Viertel unterwegs waren.
    »Wie wäre es mit einem Glas Wein?«, schlug der Wirt vor. »Wein heilt jedes Leid.«
    Hernando drehte sich überrascht zu dem Mann um. Leid? Ihm fehlte es doch an nichts, er war zufrieden, ja stolz! Fatima verehrte ihn und er sie. Sie konnten immer miteinander reden, und sie liebten sich, wann immer sich die Gelegenheit ergab, und sie leisteten ihren Beitrag für die Gemeinschaft. Ihre Kinder waren gesund und munter. Nur Hamid … Ein Glas Wein, warum eigentlich nicht?
    Der Wirt füllte das Glas ein zweites Mal, nachdem Hernando das erste in einem Zug geleert hatte.
    »Francisco? Du meinst den alten Mauren aus der Freudengasse, oder?«
    Hernando nickte betrübt.
    »Ja, der … alte Maure.«
    »Der steht zum Verkauf. Der Aufseher versucht ihn schon seit einiger Zeit loszuwerden. Er bietet ihn jedem an, der durch das Viertel kommt.«
    Warum hatte Hamid ihm nichts gesagt? Warum hatte er zugelassen, dass sein Sohn glücklich und zufrieden neben seiner Ehefrau schlief und Gott für alles Erreichte dankte, während der Aufseher ihn schnellstmöglich loswerden wollte?
    »Aber niemand will ihn.« Der Wirt prustete vor Lachen und schenkte ihm Wein nach. »Er taugt zu nichts mehr!«
    Hernando hielt plötzlich inne und nahm keinen weiteren Schluck zu sich. Was hatte der Mann da gerade gesagt? Er sprach immerhin über seinen Lehrmeister! Hamid hat mich gelehrt … Wie oft begann er ein Gespräch mit seinen Kindern mit diesem Satz. Sie waren zwar noch klein, aber er freute sich immer, wenn er ihnen etwas über Hamid erzählen konnte. In diesen Momenten nahm Fatima zärtlich seine Hand, und seine Mutter dachte an das kleine Bergdorf in den Alpujarras. Die Kinder sahen ihn mit großen Augen an und lauschten gebannt seinen Worten. Vielleicht verstanden sie noch nicht, was er ihnen eigentlich sagen wollte, aber Hamid war immer bei ihnen – in den Augenblicken größter Vertrautheit und in den glücklichen Momenten, wenn seine Familie gesund und ohne Not vereint war. Und nun sollte Hamid nichts mehr wert sein? Wie konnte er nur so blind sein?
    »Warum fragst du?«, erkundigte sich der Wirt überrascht. »Du interessierst dich doch wohl nicht etwa für den Alten?«
    Hernando holte ein Geldstück hervor, legte es wortlos auf den Tisch und wollte gerade hinausgehen, als …
    »Wie viel will der Aufseher für den Sklaven?«
    Der Mann zuckte mit den Schultern.
    »Einen lächerlichen Betrag«, antwortete er und machte eine abwertende Handbewegung.
    »Er hat uns darum gebeten. Er hat uns darum gebeten, dir nichts zu sagen.« Das war Abbas’ einzige Erklärung.
    Hernando war nach seinem Gespräch mit dem Gastwirt direkt in die Schmiede gegangen.
    »Warum nur?«, rief Hernando verzweifelt. Abbas bat ihn, leiser zu sprechen. »Aber die Gemeinde befreit doch nach wie vor Sklaven«, flüsterte er. »Ich selbst leiste dafür meinen Beitrag. Warum kauft man ihn nicht frei? Man hat mir gesagt, dass sie nur einen … lächerlichen Betrag für ihn verlangen. Hast du das gehört? Einen lächerlichen Betrag. Für einen heiligen Mann!«
    »Er will es so … Er will, dass die jungen Leute freigekauft werden. Und übrigens ist es nur ein lächerlicher Betrag, wenn der Aufseher ihn an einen Christen verkauft. Sobald er mitbekommt, dass wir ihn haben wollen, steigt der Preis. Du weißt doch genau, wie es ist: Für jeden Glaubensbruder haben wir jedes Mal viel mehr bezahlt als den üblichen Kaufpreis.«
    »Aber es ist nur Geld! Er hat sein ganzes Leben unserer Gemeinschaft gewidmet. Wenn es jemand verdient hat, freigekauft zu werden, dann ist es Hamid.«
    »Du hast ja recht«, gestand Abbas. »Aber wir müssen seine Entscheidung respektieren. Er will nicht, dass wir für ihn Geld ausgeben.«
    »Aber …«
    »Hamid weiß, was er tut. Er ist ein weiser Mann.«
    Hernando verabschiedete sich nicht einmal vom Schmied. Er konnte das nicht zulassen! Manche Christen schenkten ihren Sklaven die Freiheit, wenn sie sie nicht mehr brauchen konnten. Aber der Bordellaufseher würde das sicherlich nicht machen, dieser geizige Mann würde Hamid behalten, bis ihm jemand Geld für den Alten bot. Und der neue Besitzer würde ihn arbeiten lassen, damit er sich auch auszahlte … vielleicht weit weg von Córdoba. So ein Schicksal hatte der Alfaquí am Ende seiner Tage nicht verdient. Und er selbst verdiente es auch

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