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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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seines Vaters befreien. Er warf sich immer wieder gegen Ibrahim, der angesichts der leichten Stöße gegen seinen Bauch lauthals zu lachen begann.
    Er ließ Shamir eine Zeit lang gewähren, dann versetzte er ihm eine heftige Ohrfeige, und der Junge stürzte neben Francisco zu Boden.
    »Du gefällst mir«, stellte Ibrahim belustigt fest. »Aber wenn du den Sohn des Nazareners verteidigen willst«, drohte er mit Blick auf Francisco, »dann wirst du es bereuen. Und das Mädchen«, sagte er mit Blick auf Inés, »wird meinen beiden Töchtern als Sklavin dienen. Sobald der Nazarener in Tetuan auftaucht …«
    Aischa schleppte sich nach Córdoba zurück, Ibrahims Drohung ging ihr den ganzen Weg über nicht aus dem Sinn: Sobald der Nazarener in Tetuan auftaucht … Auch Fatima war bei diesen Worten zusammengezuckt. Die Blicke der beiden Frauen hatten sich getroffen, vermutlich zum letzten Mal in ihrem Leben. Aischa sah darin das gleiche Flehen wie in der Nacht zuvor: Sag ihm nichts! Er wird ihn umbringen!
    Er wird ihn umbringen! Mit dieser Gewissheit betrat Aischa nun Córdoba durch die Puerta del Colodro. Aber anders als damals, als sie nach der Flucht in die Berge genau diesen Weg mit Shamir auf den Armen zurückgelegt hatte, gelang es ihr diesmal, den Blicken der Büttel zu entgehen. Irgendwie schaffte sie es, wie ein Gespenst mit blutigen Füßen und nur im Nachtgewand, durch das Stadttor zu huschen. Sie schlich in die Calle de los Barberos. Der Anblick der aus den Angeln gebrochenen Haustür und des offen stehenden Gitters zum Patio schmerzten sie. Als ein Fensterladen am Nachbarhaus lautstark zugeschlagen wurde, obwohl es helllichter Tag war, war sie augenblicklich wach. Sie sah eine Nachbarin, die gerade auf die Straße gehen wollte, in ihr Haus zurückweichen. Aischa betrat verwundert den Patio und verstand sofort: In der vergangenen Nacht hatten ihre christlichen Nachbarn das gesamte Haus geplündert. Alles war verschwunden, selbst die Blumentöpfe! Dann sah sie zu der Stelle im Hof, an der sie ihre Er spar nisse versteckt hatten. Die Steinplatten darüber waren zwar gelockert, aber die angrenzenden Platten lagen unangetastet an ihrem Platz. Hernando hatte mit seiner Vorsicht also recht behalten, dachte Aischa mit einem traurigen Lächeln. Er hatte einige Platten so gelockert, dass jedem Betrachter diese Stelle sofort auffallen musste. Und genau daneben, unter einer fest verfugten Stelle, hatte er den Koran und die Fatimahand versteckt.
    »Wenn uns jemand berauben will«, hatte er damals gesagt, »wird er das Geld finden. Aber er wird nicht damit rechnen, dass unter den anderen Steinen ein zweiter Schatz verborgen liegt, der eigentliche Schatz.«
    Doch Hernando hatte dabei immer nur an die Inquisition oder an die Büttel gedacht, nicht an seine Nachbarn.
    »Was ist geschehen, Aischa? Wo sind Fatima und die Kinder?«
    Aischa sah Abbas im Eingang stehen.
    »Ich weiß nicht …«, stotterte sie und öffnete die Arme.
    »Die Leute sagen, Ubaid und seine Männer …«
    Aischa hörte dem Schmied nicht weiter zu. Sag ihm nichts! Er wird ihn umbringen! Wieder hatte sie Fatimas flehenden Blick vor Augen. Man hatte ihr die Töchter, die beiden Söhne und jetzt auch noch Shamir weggenommen. Ihr blieb nur mehr Hernando, dieser Junge mit den strahlend blauen Augen. Sollte sie das Leben ihres einzigen verbliebenen Kindes aufs Spiel setzen? Fatima würde es ihr nie verzeihen. Außerdem war die Lage hoffnungslos: In der Nacht hatte Aischa im Gasthof gehört, wie die Männer des Marquis über Ibrahim sprachen. So hatte sie erfahren, dass er inzwischen einer der mächtigsten Korsaren von Tetuan war, dass er in einem befestigten Palast lebte und dass er eine eigene Streitmacht befehligte. Er würde niemals zulassen, dass Hernando sich Fatima näherte! Es wäre Selbstmord!
    »Sie haben alle umgebracht«, schluchzte sie. »Ubaid und seine Männer haben alle getötet! Meinen Shamir, Fatima und Francisco … und sogar die kleine Inés!«
    Aischa sackte in sich zusammen und ließ ihrem Kummer freien Lauf. Sie musste weder die Tränen noch ihre Verzweiflung vortäuschen. Vielleicht … Vielleicht wäre es tatsächlich besser gewesen, sie wären alle gestorben. Beim Gedanken an Shamir zerriss es ihr das Herz, und sie heulte laut auf.
    Abbas musste sich an der Mauer abstützen. Er rang nach Atem. Er hatte Hernando versichert, dass der Monfí sie nicht belästigen würde, und er hatte ihm versprochen, sich während seiner Abwesenheit um die

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