Die Pfeiler des Glaubens
einen Fußtritt ins Gesicht.
»Du Hund! Du widerlicher Hurensohn!«
Erst jetzt erkannten Aischa und Fatima den Mann, der da im flackernden Schein der Fackeln vor ihnen am Boden lag.
»Ubaid!«
Ibrahim hatte sich mit voller Hingabe tausend verschiedene Arten überlegt, wie er den Maultiertreiber aus Narila langsam und grausam umbringen könnte. Aber die verächtliche Grimasse mit dem blutigen Mund irritierte ihn plötzlich dermaßen, dass er alle Qualen, die er sich für ihn ausgemalt hatte, sofort vergaß. Ibrahim bebte vor Zorn, schwang den Krummsäbel und stieß ihn tief in den Oberkörper des Monfí. Während sich die Männer im Patio von diesem Verrückten entfernten, blieb der Marquis ruhig auf seinem Pferd sitzen. Ibrahim fluchte und ließ seine ganze Wut ein ums andere Mal mit seinem Krummsäbel an dem am Boden kauernden Mann aus. Er hieb Ubaid in die Beine, in den Brustkorb, in die Arme und schließlich in den Kopf.
»Er ist tot«, stellte der Marquis nüchtern fest, als Ibrahim innehielt, um Luft zu holen. »Er ist tot!«, schrie er, als der Korsar erneut zum Schlag ausholen wollte.
Ibrahim keuchte, er zitterte am ganzen Leib und ließ schließlich seine Waffe sinken. Er betrachtete den zerschundenen Leib vor sich. Dann kniete er nieder und begann mit seinem Armstumpf in der Fleischmasse zu wühlen. Die Männer, die im Krieg so viele Gräuel miterlebt hatten, wandten den Blick angewidert ab. Ibrahim ließ den Krummsäbel fallen, griff nach seinem Dolch und hieb wie von Sinnen auf den Monfí ein. Dann fuhr er damit in Ubaids Leichnam herum, bis er das Herz freigelegt hatte und vor sich in die Luft hielt: Das Organ schien noch immer zu pochen. Da spuckte er darauf und warf es auf den Boden.
»Wir brechen gleich am Morgen auf«, sagte Ibrahim zum Marquis, als er sich wieder erhob, blutbesudelt.
Der Adlige nickte kurz. Dann ging Ibrahim auf Fatima zu und packte sie am Arm, schließlich war bislang nur ein Teil seiner Träume in Erfüllung gegangen. Er warf einen hasserfüllten Blick auf Aischa.
»Weib!«, herrschte er sie an. Aischa sah erschrocken auf. »Sag deinem Sohn, dem dreckigen Nazarener, dass ich in Tetuan auf ihn warte. Wenn er seine Kinder wiederhaben will, muss er sie sich holen.«
Dann riss der Korsar Fatima mit sich fort. Als sich die Blicke der beiden Frauen kreuzten, schienen Fatimas Augen nur eins zu flehen: Tu es nicht! Sag ihm nichts!
In dieser Nacht wagte es niemand, Ibrahim zu stören. Er hatte sich mit Fatima in seinem Zimmer im oberen Stockwerk des Gasthofs eingeschlossen.
41
A ls Ibrahim, der Marquis und die übrigen Männer nur noch als Silhouetten in der Ferne zu sehen waren, verließ auch Aischa den Gasthof. Ubaids Leiche hatten die Lakaien des Marquis unweit der Schenke versteckt, um jede Spur zu verwischen. Aischa hatte die ganze Nacht im Patio des Gasthofs in einer Ecke gekauert, sie hatte versucht, Shamir und ihre Enkel zu trösten, und musste dabei selbst ununterbrochen gegen die Tränen ankämpfen. Sie wusste, dass ihr der Verlust eines weiteren Kindes bevorstand … Welche Prüfungen hatte Gott noch für sie vorgesehen?
In der Früh war Ibrahim zufrieden aus seinem Zimmer stolziert, hinter ihm Fatima, die von Kopf bis Fuß in ein Laken gehüllt war. Nur noch ihre schwarzen, müden Augen konnte man sehen.
Im Hof drängten sich die Männer des Marquis, die die schnaubenden Pferde aufzäumten.
»Du also bist Shamir?«, fragte Ibrahim seinen Sohn. Aischa hörte in der Frage ihres Ehemanns durchaus väterliche Gefühle mitschwingen. Der Junge senkte den Blick, ließ aber zu, dass der Korsar ihm über den Kopf strich. Shamir wusste nicht, wer dieser Mann war: Aischa und Fatima hatten stets erzählt, dass sein Vater beim Kampf in den Alpujarras ums Leben gekommen war. »Weißt du, wer ich bin?«
Der Junge schüttelte den Kopf, und Ibrahim durchbohrte Aischa mit seinem Blick.
»Verdammtes Weib!«, brüllte er in ihre Richtung. »Du hast Glück, dass du die Botschaft überbringen musst. Ich würde dich sonst auf der Stelle umbringen.«
Dann fasste er Shamir am Kinn und hob sein Gesicht, bis ihm der Junge in die Augen sehen musste.
»Junge, hör mir gut zu: Ich bin dein Vater, und du bist mein einziger männlicher Nachkomme.« Bei diesen Worten wurde der kleine Francisco neugierig und näherte sich Shamir. »Hau bloß ab!«, schnauzte Ibrahim den Jungen an und stieß ihn mit seinem Armstumpf zu Boden.
»Nicht schlagen!«, flehte Shamir und wollte sich aus dem Griff
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