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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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gewichen war, nicht erklären. Bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen sie sich überhaupt im Palast begegneten, wandte Doña Lucía ihr Gesicht immer ostentativ ab, und bei den Mahlzeiten wurde Hernando am äußersten Ende der Tafel platziert. Die Hidalgos hingegen hatten ihren Spaß, wenn dieser Moriske mühsam über den halben Tisch langen musste, um etwas von den Speisen abzubekommen.
    Auch deswegen pflegte er ausgiebig zu frühstücken und dann aus Córdoba hinauszureiten, er wollte wenigstens den Morgen genießen und sich in der freien Natur verlieren. Meistens verbrachte er seine Zeit auf den Stierweiden, aber er hielt Abstand zu den Tieren, reizte sie nicht und kämpfte nicht mit ihnen. Die Erinnerung an Azirat verfolgte ihn immer noch. Er ging auch nicht zu den Stierkämpfen der Adligen auf der Plaza de la Corredera. Gelegentlich begegnete er bei seinen Ausflügen den Bereitern aus dem königlichen Marstall und beobachtete sie mit einer gewissen Wehmut bei ihrer Arbeit mit den neuen Fohlen.
    Mittlerweile zog er sich bereits nach dem Mittagessen in die Bibliothek zurück. Er hatte viel zu tun. Er musste das Barnabas-Evangelium abschreiben, das er bei Arbasia wieder abgeholt hatte. Er ging davon aus, dass er seine Entdeckung eines Tages mit jemandem teilen musste, und war nicht dazu bereit, die arabische Kopie auszuhändigen. Er las darin, aber erst beim Schreiben erfasste er die Tragweite dieses Evangeliums. Bereits bei der Verkündigung der Geburt Jesu spricht der Engel Gabriel hier nicht von einem göttlichen Wesen, sondern von einem Propheten, der den Weg zeigen wird. Den Weg wohin? Hernando hielt bei seiner Arbeit inne. Den Weg zu wem? Zum wahren Propheten. Wie die Muslime sollten sich Jesus und seine Mutter von Wein und starken Getränken und jeder unreinen Speise fernhalten. Und die Engel verkündeten den Hirten nicht die Geburt des Erlösers, sondern die Geburt eines Propheten des Herrn. Anders als die Berichte der späteren Evangelisten behauptete Barnabas, der Jesus Christus kannte, dieser habe sich niemals selbst als Gott oder Gottessohn – geschweige denn als Messias – bezeichnet. Er habe sich als Gesandten Gottes gesehen, der die Ankunft des wahrhaften Propheten verkündete – die Ankunft Mohammeds.
    Außerdem musste Hernando den Bericht über die Vorfälle in Juviles ausarbeiten – das Erzbistum von Granada hatte ihm die auf seinen Namen ausgestellte Sondererlaubnis zukommen lassen und ihn somit an sein Versprechen erinnert. Doch anders als seine Mutter, Abbas und dessen Anhänger dachten, war Hernando keineswegs bereit, sein Volk zu denunzieren. Er schrieb über den Monfí El Zaguer, der die Hinrichtung aller Christen im Dorf verhindert hatte. Zudem wies er darauf hin, dass dieses vermeintliche Gemetzel in Juviles sich nicht von den vielen anderen unterschied, bei denen christliche Soldaten mehr als eintausend Moriskinnen und ihre Kinder umgebracht hatten. Er erinnerte sich schmerzlich daran, wie er unter den donnernden Salven der Arkebusen in der Dunkelheit auf dem Dorfplatz verzweifelt seine Mutter und seine Stiefgeschwister gesucht und dabei zufällig Fatima und ihren kleinen Humam gerettet hatte.
    Und dann gab es noch seine Arbeit für Castillo. Er und Hernando nutzten das weit verzweigte Netz der Maultiertreiber, die noch immer auf der Seite der Morisken waren, für einen regen Austausch über Miguel de Lunas Buch über Roderich, den letzten König der Westgoten in Spanien. Hernando trug mit Berichten über das Zusammenleben von Christen und Muslimen zur Zeit des Kalifats in Córdoba dazu bei. Das Buch sollte beweisen, dass während der Herrschaft der Muslime die sogenannten Mozaraber nicht nur ihr Stück Land behalten konnten, sondern zudem im Rahmen einer gewissen Toleranz ihre christliche Religion ausüben durften. Hernando fand heraus, dass die Mozaraber ihre Gotteshäuser, ihre Kirchenhierarchie und sogar ihr Rechtswesen bewahren konnten. Wie viele Moscheen standen dagegen jetzt noch im Land von König Boabdil? Die Mozaraber hatte man nicht zur Konversion gezwungen, die Mauren schon.
    Er fand Hinweise auf die Kirchen San Acisclo, San Zoilo, San Fausto, San Cipriano, San Ginés und Santa Eulalia. All diese christlichen Gotteshäuser in Córdoba waren während der Herrschaft der Muslime erhalten geblieben. Hinweise auf die Unterdrückung der Mozaraber während der Schreckensherrschaft von al-Mansur vermied er – diese Christen hatten zumindest noch an ihrem Glauben festhalten

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