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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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christlichen Kalenders. An dem Tag gab es keinen Unterricht. Wie üblich waren die Frauen aus ihren Häusern gekommen, um unter den Maulbeerbäumen Seide zu spinnen. Sie hatten mit Henna Muster auf ihre Hände gezeichnet und die Haustüren bemalt, sie hatten Fladenteig zubereitet und gingen damit vor das Dorf, wo man aus Ziegeln und Lehm Öfen errichtet hatte. In Kupferkesseln kochten sie dort bereits die Kokons, um die Seidenraupen zu töten. Immer wieder wendeten sie die Kokons mit einem Thymianreisig im Kessel und wickelten die Seidenfäden dann auf grobe Haspeln, die sie unter den Maulbeerbäumen aufstellten.
    Hernando fragte sich, was sie wohl dieses Jahr mit der Seide anstellen würden. Wie sollten sie die Seide nach Granada bringen und in der Alcaicería verkaufen? Die Kundschafter berichteten, dass der Marquis von Mondéjar dort bereits Truppen zusammenzog, um in die Alpujarras einzumarschieren.
    »Der Marquis von Los Vélez hat König Philipp angeboten, den Aufstand in Almería niederzuschlagen«, erzählten einige Männer auf dem Dorfplatz, ganz in der Nähe der improvisierten Koranschule.
    Hernando bedeutete dem Jungen, der gerade die Suren rezitierte, weiterzumachen und ging zu den Männern.
    »Des Teufels Eisenhaupt«, hörte er einen alten Mann ängstlich flüstern. Diesen Spitznamen hatten die Morisken dem grausamen und blutrünstigen Marquis verpasst. »Es heißt«, erzählte der alte Mann weiter, »dass seine eigenen Pferde vor Schreck zu pinkeln anfangen, wenn er in den Sattel steigt. «
    »Zwischen den beiden Marquis werden wir noch aufgerieben«, fürchtete ein anderer Mann.
    » Wenn sich in Granada die Bewohner des Albaicín und der Vega dem Aufstand angeschlossen hätten, wäre es gar nicht erst so weit gekommen«, meinte ein dritter Mann. »Der Marquis von Mondéjar hätte jetzt Probleme in seiner eigenen Stadt und könnte deshalb nicht in die Alpujarras kommen.«
    Die Männer schwiegen und nickten wissend.
    »Die Bewohner des Albaicín bezahlen bereits für ihren Verrat«, meinte der Alte, der zuerst gesprochen hatte. Er spuckte verächtlich auf den Boden. »Jetzt zeigen einige von ihnen Reue und flüchten in die Berge.«
    »Man sagt, dass in Granada mehr als hundert Muslime aus den vornehmsten und reichsten Familien der Stadt verhaftet wurden«, sagte ein anderer Mann.
    Der Alte nickte.
    Dann herrschte wieder Schweigen.
    »Wir werden siegen!«, rief plötzlich einer der Männer. Der Junge, der die Suren rezitierte, hielt inne. »Gott wird uns beistehen! Wir werden siegen!«, rief der Mann noch einmal. Und schließlich stimmten auch die Kinder in die Rufe ein. »Wir werden siegen!«
    Am 3. Januar 1569 befahl Ibrahim seinem Stiefsohn, in die Burg zu kommen. Die Aufständischen machten sich auf, um sich dem Heer des Marquis von Mondéjar entgegenzustellen, das in Richtung Alpujarras marschierte.
    Hernando konnte vor Aufregung kaum das erste Maultier aufzäumen. Das Sattelzeug glitt über die Flanke und fiel zu Boden, während er verängstigt auf seine zitternden Hände sah. Was war mit Ubaid? Er würde ihn umbringen. Er würde ihn erwarten und … Nein. Was sollte ein verstümmelter Maultiertreiber schon vor den Augen aller ausrichten? Wie sollte er mit nur einer Hand die Tiere versorgen? Kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn. Bestimmt hatte er ihm bereits eine Falle gestellt. Aber nicht auf dem Burggelände. Nein, das nicht. Dort konnte er nicht … Hernando verabschiedete sich von seiner Mut ter und machte sich auf den Weg. Und wenn er selbst flüchtete? Er könnte … Er könnte ja zu den Christen gehen, aber … Er würde gar nicht erst durch die Alpujarras kommen! Man würde ihn festnehmen. Ibrahim würde nach ihm suchen lassen, wenn er nicht käme, und dann wüsste er, dass Ubaid die Wahrheit gesagt hatte. Er erinnerte sich an Hamids Rat und das Vertrauen des Gelehrten. Er durfte den Alfaquí nicht enttäuschen.
    Er zwang die Maultiere, zu seinem Schutz dicht bei ihm zu bleiben. Au f dem Weg zur Burg achtete er auf jede Bewegung. Aber von Ubaid fehlte jede Spur. In der Festung herrschte geschäftiges Treiben. Alle waren mit den Vorbereitungen für den Marsch nach Pampaneira beschäftigt, wo König Aben Humeya sie mit seinem Heer erwartete. Hernando hielt Ausschau nach Ibrahim und entdeckte ihn in der Alcazaba im Gespräch mit den Monfí-Anführern.
    »Wir ziehen weiter«, verkündete sein Stiefvater. »Mach mein Pferd fertig … und auch die Tiere vom Treiber aus Narila«, sagte er noch

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