Die Pfeiler des Glaubens
Dukaten! Er biss sich auf die Zunge.
»So viel habe ich nicht«, sagte er.
»Wenn das so ist …« Der Wärter drehte sich weg.
»Aber ich habe ein Pferd«, flüsterte Hernando und suchte in Aischas matten Augen nach einer Regung.
»Was hast du gesagt?«
»Ich habe ein gutes Pferd«, sagte Hernando, nun etwas lauter. »Es trägt das Brandzeichen der königlichen Rasse. Es ist viel mehr wert als fünfzig Dukaten.«
Sie verabredeten sich noch für denselben Abend. Hernando würde Volador gegen Aischa eintauschen. Er war nur ein Tier. Seine Mutter sollte nicht hier, sondern in seinen Armen sterben, und er wollte sie selbst bestatten. Vielleicht ließ Gott sie in ihrer letzten Stunde noch einmal die Augen öffnen, und dann wäre er bei ihr. Er musste ihr beistehen! Aischa durfte nicht sterben, ohne dass sie sich ausgesöhnt hatten.
Miguel saß neben Volador auf dem Boden.
»Es tut mir leid«, begann Hernando. Er kniete nieder und fuhr dem Jungen durch das zerzauste Haar. »Ich werde das Pferd heute Nacht verkaufen.« Warum entschuldigte er sich eigentlich? Das war doch nur ein bettelarmer Krüppel, der …
»Nein«, entgegnete Miguel.
»Was heißt hier Nein?« Hernando wusste nicht, ob er belustigt oder verärgert sein sollte.
In dem Moment blickte Miguel zu Hernando auf, der sich inzwischen wieder erhoben hatte und nun neben Volador stand.
»Señor, bislang habe ich Pferde, Katzen, Vögel und sogar einen Affen versorgt. Ich weiß immer, ob sie wieder zurückkommen, und ich habe es im Gefühl, ob ich sie zum letzten Mal sehe. Volador wird morgen wieder bei mir sein«, stellte er mit kindlichem Ernst fest. »Ich weiß es.«
Hernando blickte auf die verkrüppelten Beine, die auf dem Stroh ruhten.
»Ich werde nicht mit dir darüber streiten. Vielleicht hast du recht. Aber ich fürchte trotzdem, dass du ihn nicht wiedersehen wirst.«
Beim Abendläuten holte Hernando Volador aus dem Stall und machte sich mit ihm in Richtung Mezquita auf. Sie hatten sich auf dem Campo Real verabredet, neben dem Alcázar. Hernando wollte nicht reiten. Er ging, ohne sich umzusehen, und führte sein Pferd am Strick. Etwas abgeschlagen hüpfte Miguel hinter ihnen her. Am Campo angekommen, begab sich Hernando zu einer der Straßenecken, die wie der ganze Platz voller Müllhaufen war. Dort – ohne Altäre, deren Kerzen die finstere Nacht erhellten – sollte die Übergabe stattfinden. Miguel blieb einige Schritte entfernt stehen. Hernando versuchte, sich in der Dunkelheit zurechtzufinden, er hoffte, den Gefängniswärter mitsamt seiner Mutter erspähen zu können. Er achtete nicht weiter auf die merkwürdige Haltung des Jungen, der ungelenk dastand und sich auf nur eine der beiden Krücken stützte. Die andere hielt er mit der rechten Hand über seinem Kopf. Volador war nervös: Er schnaubte und schien sogar ausschlagen zu wollen.
»Ganz ruhig«, versuchte Hernando das Tier zu besänftigen, »sei still, beruhige dich, mein Guter.«
Das Pferd spürte anscheinend, dass der Abschied bevorstand. Genau in dem Augenblick quiekte eine riesige Ratte laut auf und huschte zwischen den Beinen von Hernando und Volador davon. Ihr folgte erst eine und dann noch eine Ratte. Hernando sprang auf. Das Pferd erschrak, buckelte, riss sich vom Strick los und galoppierte auf und davon. Miguel konnte das Gleichgewicht kaum halten und versuchte mit den Krücken die Ratten zu verscheuchen.
Voladors entsetztes Wiehern war bis in den königlichen Marstall neben dem Alcázar zu hören. Nun schraken die Pferde darin auf und wurden unruhig. Sofort eilte der Pförtner des Marstalls mit zwei Reitknechten auf die Straße vor dem Campo Real, wo sie in der Dunkelheit einen prächtigen Grauschimmel entdeckten, der herrenlos über den Platz galoppierte.
»Ein Pferd ist ausgerissen!«, rief einer der Reitknechte.
Der Pförtner wollte schon widersprechen, da sah er im Licht der Fackeln an der Fassade des Inquisitionsgerichts das königliche Brandzeichen im Fell. Doch, das war zweifellos ein Pferd aus dem Marstall.
»Ihm nach!«, schrie er.
Auch Hernando rannte hinter Volador her. Wie sollte er bei dem ganzen Aufstand nur seine Mutter befreien? Bei dem Aufruhr würde der Gefängniswärter ihre Verabredung bestimmt nicht einhalten. Miguel stand inzwischen etwas abseits vom Rattennest. Ruhig und fasziniert bewunderte er die Kraft und die Eleganz der Bewegungen des Pferdes. Er verfluchte seine eigenen, so nutzlosen Beine, die ihn gerade noch aufrecht hielten.
»Er
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