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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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restlichen Platten abholen würden. Um von seinem gefährlichen Gepäck abzulenken, prahlte er bei seinen Tagesstrecken vor den Mitreisenden mit seiner Tätigkeit für das Erzbistum Granada. Er zeigte ihnen seinen Geleitbrief, der ihm Freizügigkeit zugestand, aber auch die Berichte über die grausamen Verbrechen an den Christen. Wer würde es wagen, sein Gepäck zu durchwühlen, wenn es um Schriften über die Märtyrer in den Alpujarras ging?
    Dennoch ließ er seine Habseligkeiten nicht aus den Augen, und nachts bettete er seinen Kopf auf die Packtaschen.
    In Huéscar, wo er am Samstagabend in der Dämmerung eintraf, verlor er einen ganzen Reisetag. Denn am Sonntag besuchte er zunächst den Gottesdienst und musste dann lange darauf warten, dass ihm der örtliche Pfarrer endlich die Erfüllung seiner religiösen Pflichten bestätigte. Diesen Nachweis würde er bei seiner Rückkehr nach Córdoba dem Pfarrer von Santa María vorlegen müssen. Beim Warten in der Kirche traf er auf drei Franziskaner-Barfüßer, die ebenfalls nach Granada wollten.
    »Ihr könnt sicherlich nachvollziehen, dass diese Berichte vertraulich sind«, rechtfertigte er sich, als er von seinen Schriften über die Märtyrer berichtete und die Mönche diese einsehen wollten. »Ohne die Erlaubnis des Erzbischofs darf sie niemand lesen.«
    So konnte Hernando die letzte Wegstrecke in der Gesellschaft der Franziskaner zurücklegen. Trotz der bitteren Kälte trugen sie nur einfache Leinenkutten, die als Zeichen ihrer Bescheidenheit braun wie die Erde waren. Sie zeigten ihm eine Sondergenehmigung ihres Ordensprovinzials, in der stand, dass sie unterwegs nicht barfuß, sondern in Hanfschuhen gehen durften. In den zwei Tagen, die er mit ihnen zusammen reiste, überraschte ihn die Bedürfnislosigkeit und extreme Armut der Mönche, die die Begegnung mit anderen Reisenden nutzten, um Almosen zu erbetteln. Hernando bewunderte ihre Genügsamkeit bei den Speisen und ihre demütige Einstellung zum Leben, die sie veranlasste, auf der eisigen Erde zu schlafen.
    In Granada verabschiedete er sich von den Mönchen, sobald sie die Puerta de Guadix nördlich des Albaicín erreichten. Von dort aus ritt er zum Darro hinunter in Richtung der Plaza Nueva und der Casa de los Tiros. Zu seiner Rechten lagen die vom Winternebel eingehüllten Wohnhäuser und Gartenanlagen des Albaicín. Wie war es Isabel wohl ergangen? Ihre letzte Begegnung lag nun bereits mehr als sieben Jahre zurück.
    Hernando trieb Estudiante an. Sieben Jahre! Ja, im Hurenhaus gab es diese Rothaarige und manchmal auch eine andere Dirne, aber die letzte Nacht mit Isabel konnte er einfach nicht vergessen: Da hatten sie beinahe den Himmel berührt. Er meinte, im Dunst den Carmen des Richters entdecken zu können, der über dem Darro-Ufer lag. Bei diesem Anblick übermannte ihn plötzlich ein Schwächeanfall, und er musste sich auf Estudiante stützen. Ja, er hatte hart für seinen Gott gearbeitet. Aber was hatte er selbst davon? Nur Erinnerungen. An die sinnliche, schöne Isabel und an seine Lieben, die allesamt gestorben waren: seine Mutter, Hamid … Fatima und die Kinder. Jetzt kreiste sein Leben nur noch um einen einzigen Traum: die Versöhnung der beiden verfeindeten Religionen und den Beweis für die Überlegenheit des Propheten. Wozu? Für wen? Von wem erwartete er Dank? Von seinen Glaubensbrüdern, die ihn verstoßen hatten? Wohl kaum! Aber nach dem Fund des Pergaments in der Torre Turpiana war nun der zweite Schritt getan. Und jetzt? Was geschah, wenn all seine Anstrengungen ins Leere liefen? Fatima! In seiner Erinnerung erschienen die schwarzen Mandelaugen der jungen Frau, ihre Entschiedenheit, der goldene Anhänger, der zwischen ihren Brüsten funkelte, die Liebesnächte mit ihr. Hernando ließ seinen Tränen freien Lauf, als er in Gedanken zu dem Patio in Córdoba zurückkehrte, wo Francisco und Inés fröhlich spielten oder von Hamid unterrichtet wurden. Wie sie lachten oder ihren Lehrer gespannt und glücklich ansahen!
    »Heute bin ich allein, ich habe sie alle verloren«, flüsterte er mit belegter Stimme.
    In der Zwischenzeit traf sich zu Hause in Córdoba Miguel nach wie vor jeden Abend mit Rafaela, doch seine Geschichten kreisten nicht mehr um irgendwelche Fantasiegestalten, sondern nur mehr um einen einzigen Helden: Hernando, seinen Herrn, den gut aussehenden Hausbesitzer. Rafaela lauschte dem jungen Mann mit den verkrüppelten Beinen beeindruckt. Hernando war ein Held, Hernando hatte im Krieg

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