Die Pfeiler des Glaubens
Estudiante kräftig die Sporen. Den Blick immer auf das rostige Schwert gerichtet, brachte Hernando den wilden Galopp seines Pferdes genau auf der Höhe des Angreifers unter Kontrolle, um dann mit dem Pferd über ihn hinwegzustürmen – genau in dem Moment, als dieser mit seinem Schwert ausholen wollte. Estudiante reagierte so geschickt, als ginge es darum, den Hörnern eines Stieres auszuweichen, und der Bandit stürzte auf die Erde. Dann ließ Hernando dem jungen Pferd wieder freien Lauf und duckte sich, um zwei Arkebusenschüssen auszuweichen. Die Kugeln zischten dicht an seinem Kopf vorbei.
»Volador wäre stolz auf dich!«, rief er seinem Pferd zu und blickte zum Kastell von Ayora auf, das sich nun direkt über ihren Köpfen erhob.
Hernando gelangte ohne weitere Zwischenfälle nach Jarafuel. Dort suchte er wieder den jungen Alfaquí auf und ging mit ihm zu Binilits Werkstatt. Estudiante banden sie im kleinen Garten hinter Munirs Haus fest.
»Bist du allein?«, fragte ihn der Gelehrte auf dem Weg zum Silberschmied.
»Ja, und bei Ayora hatte ich deshalb eine üble Begegnung, die beinahe …«
»Das meinte ich nicht«, unterbrach ihn der Alfaquí. »Aber ich werde dafür sorgen, dass dich auf dem Rückweg jemand bis nach Almansa begleitet. Vielleicht mache ich das sogar selbst. Nein, ich frage dich, weil ich nicht weiß, wie du allein die ganzen Platten befördern willst, die Binilit vorbereitet hat. Der Meister hat großartige Arbeit geleistet.«
Hernando hatte nicht bedacht, dass Blei eine ganz andere Last darstellte als Papier. Er hatte aus Córdoba nur ein paar Packtaschen mitgenommen und diese hinten am Sattel festgebunden. In Binilits Werkstatt angekommen, entfuhr ihm ein anerkennender Pfiff, als er vor dem Werk des Silberschmieds stand: Vor ihm lagen einhundert oder zweihundert Bleiplatten … Vielleicht sogar noch mehr! Sie waren in einer Ecke der Werkstatt gestapelt. Diese Menge konnte er unmöglich in den einfachen Quersäcken befördern.
Er griff nach einer der Platten: Über die Grundlagen der Kirche . Er wog sie in seiner Hand und begutachtete die Arbeit des Silberschmieds. Ein Meisterwerk! Binilit hatte seine spitzen Schriftzeichen genauestens in das Metall übertragen.
»Maria ist nicht von Sünde befleckt«, stellte Munir fest. Hernando drehte sich überrascht um. »Ich habe einige Tage hier verbracht«, erklärte der junge Mann, »und gelesen … Eigentlich habe ich die meiste Zeit versucht, deine Schriften zu deuten. Du hast die Punkte und die Selbstlaute ausgelassen.«
»Die Zeichen wurden damals noch nicht geschrieben.« Der Alfaquí wollte etwas entgegnen, aber Hernando war noch nicht fertig. Auch Binilit hörte aufmerksam zu. »Außerdem muss unsere Botschaft unbestimmt bleiben. Sonst lehnen die Christen die Bücher sofort ab.«
»Aber die Bezüge zu Maria sind doch eindeutig«, meinte Munir.
»Mit Maryam gibt es auch kein Problem. Die Christen werden die Beteiligung der Jungfrau akzeptieren«, erklärte Hernando mit Entschiedenheit. »Die Figur der Maria ist vermutlich das einzige Bindeglied zwischen beiden Religionen, das noch nicht beschädigt worden ist. Außerdem fordert ganz Spanien lauthals, Marias Unbefleckte Empfängnis endlich als Dogma anzuerkennen. Diese Schriften unterstützen die Vorstellung, also werden die Christen sie auch verwenden. Du wirst bemerkt haben, dass Maryam die wichtigste Figur in all meinen Texten ist. Sie ist im Besitz der göttlichen Botschaft, die sie Jakobus und den übrigen Aposteln nach Isas Tod übermittelt. Sie überträgt Jakobus die Aufgabe, das Christentum nach Spanien zu bringen, und sie ist es, die ihm das unverständliche Stumme Buch überreicht, das sich offenbaren wird, sobald die Christen begreifen, dass ihre Päpste Gottes Wort verfälscht haben. Und das wird durch einen König der Araber geschehen.«
»Was haben wir davon, wenn die Christen die Botschaft nicht verstehen?«, gab der Silberschmied zu bedenken. »Sie könnten sie zu ihren Zwecken auslegen.«
»Das werden sie ohnehin tun. Daran besteht kein Zweifel«, bestätigte Hernando die Befürchtungen des Meisters.
Binilit zeigte auf die Bleiplatten, als fühlte er sich um seine Arbeit betrogen.
»Aber darum geht es doch, Binilit«, versuchte Hernando den Silberschmied zu beruhigen. »Wenn die Christen diese Bücher nach ihrem Dafürhalten deuten, dann müssen sie anerkennen, dass sowohl der heilige Caecilius, also der Schutzheilige von Granada, als auch sein Bruder, der
Weitere Kostenlose Bücher