Die Pfeiler des Glaubens
und zeigte auf Ubaid.
Dieser trug am rechten Arm einen verschmutzten Verband, seine Kleidung war verschlissen, und sein Gesicht wirkte beängstigend ausgezehrt. Ubaid versuchte – erfolglos – seinen Maultieren das Packzeug anzulegen.
»Aber …«, wollte Hernando einwenden.
»Da siehst du die Strafe für sein Vergehen«, unterbrach ihn Ibrahim und betonte dabei die beiden letzten Worte.
Auch sein Stiefvater wusste also Bescheid! Und dennoch hatte er selbst Ubaid die Hand abgehackt. Ibrahim beobachtete, wie sein Stiefsohn zu Ubaids Tieren ging. Angesichts der Streitigkeiten zwischen den jungen Männern lächelte er zufrieden: Er hasste beide von ganzem Herzen.
»Dann zäume ich jetzt deine Tiere auf«, sagte Hernando zu dem anderen. Dabei konnte er kaum den Blick von der blutverschmierten Binde abwenden, die den rechten Armstumpf bedeckte.
Ubaid spuckte in Richtung des Jungen, der sich an seinen Stief vater wandte.
»Mach die Tiere endlich fertig!«, schrie Ibrahim. Das Lächeln war von seinem Gesicht verschwunden.
»Geh weg!«, befahl Hernando. »Ich kümmere mich um deine Tiere, ob es dir nun gefällt oder nicht, aber ich will dich nicht in meiner Nähe haben.« Er hob einen langen Stock auf und bedrohte Ubaid damit. »Hau endlich ab!«, schrie er. »Wenn du dich noch einmal in meine Nähe wagst, bringe ich dich um.«
»Nein, zuerst bringe ich dich um«, murmelte Ubaid in sich hinein.
Hernando bohrte das stumpfe Stockende in Ubaids Brust, aber der griff sofort mit seiner linken Hand danach und hielt dagegen. Her nando hatte ihm in seinem Zustand nicht so viel Kraft zugetraut. Ibrahim schien die Auseinandersetzung zu genießen. Hernando suchte nach einem Ausweg. Benutze deinen Verstand! Hamids Worte fielen ihm wieder ein. Schnell löste er die rechte Hand vom Stock und hielt sie Ubaid provozierend entgegen. Der reagierte sofort auf die Geste und hielt seinerseits den Stumpf nach oben. Als er statt seiner Faust den blutigen Armstumpf vor Augen hatte, zögerte der Maultiertreiber. Hernando nutzte die Gelegenheit und rammte ihm mit der linken Hand den Stock in die Magengrube. Der Treiber geriet ins Schwanken und fiel mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden.
»Komm mir ja nicht zu nahe!«, herrschte Hernando ihn an und drohte ihm noch einmal mit dem Stock.
Ubaid suchte gekrümmt vor Schmerz das Weite.
Der Moriskenkönig Aben Humeya bestimmte die kleine Burg von Poqueira zur Basis für seine militärischen Aktionen. Sie lag auf einer felsigen Anhöhe, von der aus man die Sangre-Schlucht, die Schlucht von Poqueira sowie die Ufer des Guadalfeo überblicken konnte. Hernando war mit fast eintausend anderen Morisken dorthin unterwegs. Einige waren schwer bewaffnet, die meisten hatten jedoch nur ein fache Ackergeräte bei sich, aber alle waren fest entschlossen, auf Leben und Tod gegen die Truppen des Marquis zu kämpfen. Ubaid hielt stets Abstand zu Hernando und bewältigte den Weg, indem er sich immer wieder auf die Maultiere stützte, denn er war nicht in der Lage, auf einem der Tiere zu reiten. Die Morisken aus Juviles waren nicht die Einzigen, die dem Aufruf des Königs von Granada und Córdoba gefolgt waren. Die kleine Burganlage konnte die eintreffenden Kämpfer schon längst nicht mehr aufnehmen, und bald hatten auch die Bewohner der kleinen Ortschaft Pampaneira für niemanden mehr Platz in ihren Häusern. Diejenigen, die in den Viehschuppen zwischen den Häusern Zuflucht gefunden hatten, konnten sich noch glücklich schätzen.
Die Männer aus Juviles kamen mitten in der Nacht in Pampaneira an. Kurz zuvor war dort eine weitere erschöpfte Moriskentruppe eingetroffen, die im Kampf zweihundert Männer verloren hatte. Sogleich begann Hernandos Arbeit: Einige Pferde hatten Verletzungen, und Ibrahim bot an, dass sein Stiefsohn ihre Wunden versorgte.
Bis zu dem Aufstand besaßen nur wenige Morisken Pferde, denn ihnen war der Besitz von eigenen Pferden verboten. Selbst wenn ein Eselhengst für die Zucht der Maultiere eine Pferdestute decken sollte, benötigten sie Sondergenehmigungen. Deshalb hatten sie auch keine eigenen Tierärzte, die sich mit Pferden auskannten. Im Licht der Fackeln verschaffte sich Hernando einen ersten Überblick über den Zustand der Tiere. Aber die Wunden der Pferde ähnelten denen der Maultiere kaum. Wie hatten es einige der Tiere überhaupt lebend bis hierher geschafft? Zwei Pferde wälzten sich im Todeskampf auf der eisigen Erde. Die Arkebusenkugeln, Schwerter, Lanzen und
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