Die Pfeiler des Glaubens
Hellebarden der christlichen Soldaten hatten ihnen tiefe Wunden gerissen. In der Kälte stob der Atem als dampfende Wolken aus ihren Nüstern. Hernando untersuchte jedes einzelne Pferd. Ubaid hielt immer einige Schritte Abstand zu ihm.
»Jetzt fang endlich mit der Arbeit an!« Der Befehl ertönte hinter seinem Rücken. Hernando drehte sich um und sah Ibrahim vor sich. »Was schleichst du hier herum? Du sollst die verletzten Tiere versorgen!«
Versorgen? Er wollte seinem Stiefvater gerade eine passende Antwort geben, da fiel sein Blick auf einen der Monfíes, die Ibrahim begleiteten: Es war ein Riese. Der Kolben seiner Arkebuse war mit goldenen Arabesken verziert, und ihr Lauf war fast doppelt so lang wie gewöhnlich. Der Riese zeigte mit seiner Waffe auf ein verhältnismäßig kleines Pferd. Dabei hielt er die schwere Waffe mit nur einer Hand, so als wäre sie ein dünnes Stöckchen.
»Der Fuchs hier gehört mir. Ich brauche ihn so schnell wie möglich wieder«, sagte der imposante Monfí, dem sie den Spitznamen »Gironcillo« verpasst hatten.
Hernando sah zu dem Fuchs. Wie konnte dieses arme Pferd nur eine so schwere Last ertragen? Allein die Waffe musste ein ungeheures Gewicht haben, und erst der Reiter …
»Jetzt mach schon!«, fuhr Ibrahim ihn an.
Warum nicht? Mit einem der Tiere musste Hernando ja anfangen.
»Du schaust dir so lange diese beiden Pferde an«, sagte er zu Ubaid und zeigte auf die beiden schwer verletzten Tiere. Er selbst begab sich zu Gironcillos Fuchs und vergewisserte sich aus dem Augenwinkel, dass Ubaid seinen Befehl ausführte.
Um seine Fesseln lagen zwar Metallringe, aber das Pferd tat dennoch einige ungelenke Schritte nach hinten, als Hernando sich ihm näherte. Eine große, blutende Wunde zog sich von der Kruppe des Tieres über die gesamte rechte Flanke. Hernando nahm etwas Heu und bot es dem Tier mit der ausgestreckten Hand an. Er flüsterte dabei leise vor sich hin. Doch der Fuchs riss unruhig den Kopf nach oben.
Hernando sprach ruhig weiter, er rezitierte die erste Sure in einem gleichmäßigen Rhythmus.
»Jetzt geh endlich hin und pack es beim Halfter«, befahl Ibrahim, der plötzlich hinter Hernando stand.
»Halt den Mund«, murmelte Hernando ohne sich umzudrehen. Seine respektlose Bemerkung war für die umstehenden Monfíes deutlich zu hören.
Ibrahim wollte sich auf ihn stürzen, aber Gironcillo hielt ihn zurück. Hernando wartete angespannt und begann schließlich wieder mit seinem Singsang. Nach einer Weile reckte ihm der Fuchs vorsichtig den Kopf entgegen. Hernando streckte den Arm etwas weiter aus, aber das Pferd interessierte sich nicht für das angebotene Heu. Es vergingen noch einige schier endlose Momente, in denen Hernando sämtliche Suren rezitierte, die er kannte. Als sich das Pferd schließlich beruhigt hatte und regelmäßig durch die Nüstern atmete, ging Hernando langsam zu ihm und griff es sanft am Halfter.
»Wie geht es den anderen beiden Pferden?«, fragte er Ubaid ruhig.
»Die sterben«, rief ihm dieser zu. »Bei einem hängen schon die Eingeweide heraus, bei dem anderen ist der Brustkorb aufgeschlitzt.«
»Lass uns gehen«, sagte Gironcillo zu Ibrahim und klopfte ihm auf die Schulter. »Offensichtlich kommt dein Sohn hier allein zurecht.«
»Tötet die beiden Pferde«, bat Hernando die beiden Männer und zeigte auf die am Boden liegenden Tiere. »Dann müssen sie nicht mehr leiden.«
»Mach es doch selbst«, gab ihm Ibrahim zur Antwort. »Eigentlich solltest du in deinem Alter schon längst Christen umbringen.« Unter höhnischem Lachen warf er ihm ein Messer zu und ging zu den anderen Aufständischen.
9
Brücke über den Tablate, der Zugang in die Alpujarras
Montag, 10. Januar 1569
H ernando war auf dem Weg von Pampaneira in Richtung Tablate-Brücke. Wie die übrigen dreitausendfünfhundert Morisken ging auch er zu Fuß. König Aben Humeya hatte durch Signalfeuer, die seine Späher auf den höchsten Gipfeln entzündet hatten, von den Truppenbewegungen des Marquis von Mondéjar erfahren, und er gab den Befehl, den Christen den Weg über die Brücke – den wichtigsten Zugang in die Alpujarras – zu versperren.
Vor ihrem Aufbruch hatte Gironcillo die Nähte aus Seidenfäden überprüft, mit denen Hernando die klaffende Wunde des Fuchses geschlossen hatte. Er hatte zufrieden genickt und seinen massigen Leib auf das kleine Pferd gehievt.
»Du bleibst ab sofort in meiner Nähe«, befahl er. »Ich will dich an meiner Seite haben, falls du dich
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