Die Pfeiler des Glaubens
anderen Seite der Meerenge hofften. Dabei stand der Augenblick, in dem der König der Araber die Kopie des Barnabas-Evangeliums erhalten sollte, um es bekanntzugeben, kurz bevor. So lautete zumindest der Gegenvorschlag von Don Pedro, Luna und Castillo, den Hernando den hier versammelten Männern vortrug. Diese waren jedoch nicht dazu bereit, noch länger zu warten. Hernando gab sich geschlagen. Sollte der ganze Aufwand mit den Bleiplatten etwa umsonst gewesen sein?
Er setzte sich neben Munir auf den Boden. Vor ihnen stand nun der sich als Kaufmann ausgebende französische Adlige Panissault, daneben Miguel Alamín, der Moriske, der seit zwei Jahren die geheimen Verhandlungen mit den Franzosen geführt hatte, die nun in dieser Versammlung gipfelten.
Welches war der richtige Weg? Wer hatte recht? Hernando war noch ganz in seine Gedanken vertieft, als Miguel Alamín den Franzosen endlich vorstellte. Die Gespräche konnten beginnen, und schon nach kurzer Zeit hatten sich zwei ungleiche Lager gebildet: Auf der einen Seite stand Hernando und mit ihm – wenn auch nicht anwesend – lediglich ein Adliger aus Granada und zwei Mediziner, die zugleich als Übersetzer tätig waren. Auf der anderen Seite standen die Vertreter der Moriskengemeinschaften aus den Königreichen Valencia und Aragonien, die allesamt den Krieg befürworteten. Krieg! Hernando dachte an seine Kindheit zurück, an die Aufstände in den Alpujarras, an die ersehnte Hilfe, die niemals eintraf, und an die so schmerzliche und demütigende Niederlage. Wie würde Hamid ihr Vorhaben beurteilen? Und Fatima, was hätte sie zu all dem gesagt? Hernando konnte den Männern, die leidenschaftlich den Plan verteidigten, zu den Waffen zu greifen, ihre Beweggründe nicht verdenken. Aber eine innere Stimme gab Hernando zu verstehen, dass dies nicht die Lösung war. War er vielleicht einfach alt geworden? Hatte ihn sein beschauliches Leben zu weich werden lassen? Aber eine Stimme in seinem Inneren wiederholte hartnäckig, dass Gewalt sie niemals zum Erfolg führen werde.
»Die Inquisition löscht uns noch alle aus«, hörte er einen Mann hinter sich rufen.
Ja, gewiss. Munir hatte es ihm auf ihrem langen Weg nach Toga erklärt. Es galt zwar weniger für Córdoba, aber hier, in diesem Gebiet voller Morisken, gab es so viele Sünden, die ein Neuchrist theoretisch begehen konnte, dass die Inquisition gleich im Voraus kassierte: Jede Moriskengemeinde war gezwungen, jährlich einen bestimmten Betrag an die Inquisition zu entrichten.
»Und die Lehnsherrn sind nicht anders!«, rief ein anderer Mann.
»Sie wollen uns umbringen!«
»Sie wollen uns kastrieren!«
»Sie wollen uns zu Sklaven machen!«
Die Stimmung heizte sich immer mehr auf.
Hernando senkte den Blick. Die Männer hatten ja recht. Alles, was sie sagten, stimmte! Die Lage, in der sich sein Volk befand, war mehr als gefährlich, und die Zukunft … Welche Zukunft würde ihre Kinder erwarten? Und er, Hernando Ruiz aus Juviles, verkroch sich in seine Bibliothek und führte ein bequemes, abgesichertes Leben … und redete sich ein, er könne mit seinen Bleibüchern die Fundamente der Christenheit erschüttern.
Sorgenvoll beobachtete er, wie die Männer in hitzigen Diskussionen große Pläne schmiedeten: Am Gründonnerstag 1605 sollten die Morisken in Valencia mit dem Aufstand beginnen. Sie wollten ein Zeichen setzen und zunächst die Kirchen in Brand setzen. Gleichzeitig sollte Heinrich IV. eine Flotte in den Hafen von Grao entsenden. Die Moriskenanführer würden in der Zwischenzeit ihre Leute mit Waffen versorgen. Aber was, wenn der französische König sein Wort brach? Dann stünden die Morisken wieder einmal allein da und wären der Wut der Christen machtlos ausgeliefert. Zudem legten sie ihr Schicksal in die Hände eines christlichen Königs. Gewiss, Heinrich IV. war ein Feind der Spanier, aber er war ein Christ! Wie viele der Männer, die hier so hitzig stritten, hatten den Krieg in den Alpujarras selbst miterlebt? Hernando wollte sich zu Wort melden, aber es war aussichtslos – selbst Munir reckte den Arm gen Himmel und forderte den heiligen Krieg.
»Allahu akbar!«
Dann wurde ein neuer König der Morisken gekürt: Luis Asquer aus Alaquás. Der neue Monarch erhielt sogleich einen leuchtend roten Umhang. Mit dem Schwert in der Hand machte er sich für den traditionellen Amtseid bereit. Die Männer jubelten und umringten begeistert ihren neuen Anführer. Hernando stand etwas abseits und sah die Hoffnung in
Weitere Kostenlose Bücher