Die Pfeiler des Glaubens
schwere Zeit hinwegzuhelfen. Rafaela war danach lange nicht in anderen Umständen. Aber nun hat Allah uns gesegnet: Wir erwarten wieder ein Kind!«
Hernandos Blick verlor sich erneut in den Sternen. Rafaela und er hatten das leidvolle Sterben des Kleinen miterlebt, und jeder für sich hatte still seinen Gott angerufen. Sie beide waren nicht von der Seite des Jungen gewichen, bis er seinen letzten Atemzug getan hatte. Sie hatten ihn gemeinsam beweint und ihn dann gemeinsam in tiefster Verzweiflung nach dem christlichen Ritus begraben. Aufeinander gestützt waren sie gemeinsam in ihr Haus zurückgekehrt. Sobald sie dort allein waren, war Rafaela, die bereits in Tränen aufgelöst war, vollends zusammengebrochen. Es hatte lange gedauert, bis er wieder ihr Lächeln entdecken und ihren Gesang im Haus hören konnte. Hernando dachte voll Trauer an diese düsteren Monate, aber auch mit Stolz: Gemeinsam hatten sie das Leid überwunden, und ihre Verbundenheit – die anfangs noch auf einem schwachen Fundament gegründet war – hatte dabei an Stärke und Tiefe gewonnen. Nur zwei Dinge blieben unverändert: Rafaela achtete nach wie vor Hernandos Arbeit in der Bibliothek, obwohl sie wusste, dass er dort Arabisch schrieb, und Hernando respektierte im Gegenzug die Überzeugungen seiner Gattin, und obwohl sie sich für ein gemeinsames Schlafgemach entschieden hatten, versuchte er niemals, sie zu drängen, wenn sie miteinander schliefen. So erstaunte ihn die Entdeckung einer anderen Art der Lust: eine Lust, die der zärtlichen Liebe entströmte, mit der sie ihn abends empfing, eine stille, ruhige und leidenschaftslose Liebe, jenseits von fleischlichen Genüssen, so als wollte sie sich durch nichts und niemanden die Schönheit ihrer Verbundenheit zerstören lassen.
»Nun sag, erziehst du die Kinder im wahren Glauben? Weiß deine Frau, dass du Muslim bist?«, wollte Munir wissen.
»Ja«, antwortete Hernando. »Miguel, der diese Ehe ausgeheckt hat, hat es ihr von Anfang an gesagt. Rafaela spricht nicht viel, aber wir verstehen uns auch ohne Worte. Wenn ich in der Moschee in Córdoba vor dem Mihrab bete, bleibt sie an meiner Seite. Sie weiß, dass ich zu dem einzigen Gott bete. Und was die Kinder angeht: Unser Erstgeborener ist erst sieben Jahre alt. In dem Alter können Kinder noch nicht lügen. Es wäre gefährlich, wenn sie sich in der Öffentlichkeit verrieten. Für ihren Unterricht kommt ein Hauslehrer zu uns. Ich begnüge mich derzeit damit, ihnen Begebenheiten und Legenden unseres Volkes zu erzählen.«
»Wäre Rafaela denn einverstanden, wenn es so weit ist?«, fragte Munir.
Hernando seufzte.
»Ich glaube, nein, ich bin mir sicher, dass wir ein stillschweigendes Abkommen getroffen haben. Sie spricht mit den Kindern ihre Gebete, und ich erzähle ihnen Geschichten vom Propheten. Ich würde gern …«, begann er, sprach seinen Wunsch aber nicht aus. Er wusste nicht, ob der Alfaquí ihn verstehen würde: Seine Kinder sollten mit beiden Kulturen groß werden, in gegenseitiger Achtung und Vorurteilslosigkeit. »Ich bin davon überzeugt, dass sie das tun wird.«
»Also ist sie eine gute Frau.«
Sie setzten ihr Gespräch noch lange fort und nutzten die kurzen Augenblicke des Schweigens, um den unendlichen Sternenhimmel über ihnen zu betrachten.
1604, drei Tage vor Weihnachten, trafen sich achtundsechzig Vertreter von Moriskengemeinden aus den Königreichen Valencia und Aragonien auf einer Waldlichtung über dem Mijares-Ufer, in der Nähe von Toga. Zu dem Treffen hatten sich auch einige Barbaresken sowie der Franzose Panissault eingefunden. Dieser Adlige war ein Gesandter des Herzogs von La Force, des Marschalls von König Heinrich IV. von Frankreich. Es wurde bereits dunkel, als Hernando mit Munir in Toga eintraf. Der Alfaquí vertrat die Morisken aus dem Cofrentes-Tal. Um keinen Verdacht zu erregen, hatte Hernando sein Pferd in Jarafuel gelassen und den Rest des Weges auf einem Maultier zurückgelegt.
Lagerfeuer erhellten die Waldlichtung. Die Unruhe der Männer, die rastlos zwischen den Feuern hin und her gingen, war deutlich zu spüren. Doch als Hernando sich mit den Moriskenanführern unterhielt, merkte er, dass sie fest dazu entschlossen waren, ihre Pläne für den neuen Aufstand voranzutreiben und einen Krieg auf Leben und Tod zu führen. Munir hatte Hernando unterwegs zudem berichtet, dass zwar keiner mehr mit den Türken rechnete, die Morisken aber noch immer auf die Unterstützung durch die Barbaresken von der
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