Die Pfeiler des Glaubens
Machenschaften bei Hofe hatten, aus Spanien flüchteten, gab ihm zu denken. Deshalb bereitete er eine Reise nach Granada vor, um herauszufinden, was aus den Bleibüchern geworden war.
Er holte wieder den Geleitbrief hervor, den ihm damals das Erzbistum Granada ausgestellt hatte und den er sorgsam aufbewahrte. Das Interesse an den Märtyrern in den Alpujarras war mit den Funden im Sacromonte erloschen. Inzwischen hatte man so viele Heilige und Märtyrer aus der Frühzeit des Christentums gefunden, dass es nicht mehr lohnend schien, sich um die paar Bauern zu kümmern, die die Morisken vor gerade einmal vierzig Jahren gefoltert haben mochten. Dennoch hätte kein Büttel, kein Vogt und keine Streife der Santa Hermandad es gewagt, das Dokument in Zweifel zu ziehen, das Hernando jederzeit hätte vorlegen können. Zwischen seinen Sachen versteckte er außerdem seine kunstvolle Koranabschrift, die er endlich abgeschlossen hatte, die alte Kopie des Barnabas-Evangeliums und die Fatimahand, deren Gold inzwischen angelaufen war.
In Granada warteten keine guten Nachrichten auf ihn. Die Christen in Córdoba hatten sich endgültig ihrer Moschee bemächtigt, und die Bewohner von Granada hatten das Ihrige mit dem Sacromonte getan. Wie üblich traf sich Hernando mit Don Pedro, Luna und Castillo im Goldenen Zimmer in der Casa de los Tiros.
»Es ist sinnlos, dem Sultan jetzt das Barnabas-Evangelium zukommen zu lassen«, meinte Don Pedro. »Die Kirche muss vorher unbedingt noch die Echtheit der Bücher anerkennen. Das gilt vor allem für die Bleiplatte, die sich auf das Stumme Buch bezieht und die verheißt, dass eines Tages ein großer Herrscher mit einem anderen – lesbaren – Text kommen wird, der die Offenbarung der Jungfrau Maria aus der unleserlichen Schrift bekanntgeben wird.«
»Was ist mit den Reliquien?«, warf Hernando ein.
»Die Partie haben wir gewonnen«, behauptete Castillo, der sichtlich gealtert war. »Die Reliquien gelten als authentisch und werden auch als solche verehrt. Erzbischof Castro hat beschlossen, auf dem Sacromonte eine große Stiftskirche zu errichten, und bereits Ambrosio de Vico mit ihrem Bau beauftragt.«
»Eine Stiftskirche«, klagte Hernando leise, dabei hätte er am liebsten geschrien. »So weit hätte es nicht kommen dürfen. Die Bücher vertreten islamische Grundsätze! Wie kann es sein, dass die Christen an der Stelle eine Stiftskirche bauen, an der die Bleiplatten gefunden wurden, die den einzigen Gott preisen?«
»Der Erzbischof«, erläuterte diesmal Luna, »lässt niemanden die Platten sehen. Obwohl er selbst kein Arabisch kann, beaufsichtigt er höchstpersönlich ihre Übersetzung, und wenn ihm etwas nicht passt, veranlasst er einfach entsprechende Korrekturen oder sucht sich einen anderen Übersetzer. Ich habe es selbst erlebt. Sowohl der Heilige Stuhl als auch der König fordern, dass er die Bücher freigibt, aber er weigert sich. Er behält sie für sich, als wären sie sein Eigentum.«
»In dem Fall«, stellte Hernando betroffen fest, »wird die Wahrheit niemals ans Licht kommen. Für uns wird es jedenfalls zu spät sein«, beharrte er düster. »Entweder vertreiben sie uns – oder sie vernichten uns, noch ehe es dazu kommt.«
Niemand antwortete. Hernando spürte, dass sich seine Gefährten unbehaglich fühlten, sie rutschten nervös auf ihren Stühlen herum und wichen seinem Blick aus. Da begriff er: Ihr gemeinsames Vorhaben war gescheitert. Doch im Gegensatz zu ihm mussten seine Gefährten keine Vertreibung befürchten. Sie waren Adlige oder standen im Dienst des Königs.
Von nun an war er bei ihrem Kampf wieder auf sich allein gestellt.
»Wir können dafür sorgen, dass du mit deiner Familie von der Vertreibung und von den übrigen Maßnahmen gegen unser Volk ausge nommen wirst, wenn es eines Tages dazu kommt«, bot Don Pedro an.
Hernando sah den Lehnsherrn von Campotéjar und Vogt des Generalife verständnislos an.
»Und was ist mit unseren Glaubensbrüdern?«, fragte er mit einem zornigen Unterton. »Was ist mit dem einfachen Volk?«, ergänzte er noch, als er sich an Shamirs Vorhersage erinnerte.
»Wir haben getan, was in unserer Macht steht«, stellte Luna fest. »Oder etwa nicht? Wir haben viel riskiert, vor allem du.«
Hernando sackte auf dem Stuhl zusammen. Gewiss. Er hatte für ihren gemeinsamen Plan sein Leben aufs Spiel gesetzt.
»Im Moment«, sagte der Übersetzer, »hat Gott uns nicht mit Erfolg belohnt. Der Allweise allein weiß, warum.«
Die Männer
Weitere Kostenlose Bücher