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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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schwiegen.
    »Wenn es zur Vertreibung kommt«, nutzte Don Pedro die Pause, »oder zu einer anderen fürchterlichen Maßnahme, müssen wir in Spanien bleiben. Unser Saatkorn muss immer hier sein, in dem Gebiet, das uns gehört. Nur dann kann es wachsen und sich vermehren und al-Andalus für den Islam zurückerobern.«
    Hernando überlegte. Ein ganzes Leben der Hingabe und des Leidens zog an ihm vorbei. Was hatte all das Elend gebracht? Inzwischen zählte er fünfundfünfzig Jahre, und er fühlte sich wie ein alter Mann, wie ein Greis. Aber seine Kinder …
    »Wie wollt ihr mich vor der Vertreibung retten?«, fragte er mit matter Stimme.
    »Du kannst dir den Adelstitel erstreiten«, war Don Pedros knappe Antwort.
    Hernando konnte nur höhnisch lachen.
    »Ich soll ein Hidalgo werden? Ich, der Moriske aus Juviles? Ein Mann, dessen Mutter von der Inquisition verurteilt wurde?«
    »Wir haben viele mächtige Freunde, Hernando«, besänftigte ihn der Adlige. »Heutzutage kann man alles kaufen, selbst einen Adelsbrief. Die Angaben ganzer Dörfer werden gefälscht. In den Akten der Kirche von Granada stehen hervorragende Einträge über dich. Du hast für den Erzbischof gearbeitet. Im Alpujarras-Krieg hast du viele Christen gerettet! Alle wissen das.«
    »Dein Vater war doch ein Geistlicher, nicht wahr?«, warf Castillo ein, wohl wissend, dass er damit ein heikles Thema ansprach. »Der Stand eines Hidalgos wird immer über die väterliche Linie vererbt, niemals über die Mutter.«
    Hernando schnaubte und schüttelte den Kopf. Das war doch die Höhe! Dieser widerwärtige Pfarrer, der seine Mutter geschändet hatte, sollte nun seine Familie retten.
    »Viele Nachweise der Reinblütigkeit sind gefälscht«, versuchte Luna ihn zu überzeugen. »Alle wissen, dass der Großvater der Teresa von Ávila, die den Orden der Unbeschuhten Karmelitinnen gründete, Jude war. Und nun soll sie seliggesprochen werden! Viele Christen, ganz gleich, welchen Standes, wollten schon immer zu Hidalgos erklärt werden, denn der niedrige Adel zahlt keine Steuern. Derzeit strengen auch viele Morisken solche Verfahren an, um ihrer Vertreibung zu entgehen. Denn solange ein Verfahren anhängig ist, lässt man sie in Frieden, und so ein Rechtsstreit kann sich über Jahre hinziehen.«
    »Was ist, wenn sie den Prozess verlieren?«, wollte Hernando wissen.
    »Die Zeiten werden sich ändern«, antwortete Castillo.
    »Du musst uns vertrauen«, bekräftigte Don Pedro. »Wir werden uns um alles kümmern!«
    Vor seiner Abreise aus Granada beauftragte Hernando einen Prozessbevollmächtigten, der sein Gesuch auf Anerkennung als Hidalgo bei der Adelskammer am Obergericht einreichen und somit das Verfahren einleiten sollte.
    Doch die Ereignisse überschlugen sich. Die verzweifelten Morisken baten wegen der Gerüchte über die bevorstehende Deportation Mulay Zaidan in Marokko um Hilfe. Fünfzig Abgesandte wurden bei dem Herrscher mit dem Vorschlag vorstellig, Spanien mit Unterstützung der Niederländer zu überfallen, die bereits zugesagt hatten, ausreichend Schiffe für einen Ponton über die Meerenge von Gibraltar zur Verfügung zu stellen. Ihr Angebot ähnelte bisherigen Plänen: Mulay Zaidan sollte nur eine Küstenstadt und deren Hafen besetzen und zwanzigtausend Soldaten beisteuern, die Morisken dagegen würden weitere zweihunderttausend Mann stellen.
    Doch der marokkanische Herrscher lachte die Morisken – trotz seiner erbitterten Feindschaft mit den Spaniern – nur aus und schickte die Gesandten wieder weg. Philipp III. war nach all diesen Verschwörungen hingegen keineswegs mehr zum Lachen zumute. Im April 1609 überreichte er deshalb höchstpersönlich dem Staatsrat die Aufforderung, endlich wirksame Maßnahmen gegen die Morisken zu ergreifen, selbst wenn diese darin bestanden, »sie sämtlich zu enthaupten« – so die Worte des Monarchen.
    Fünf Monate später wurde in der Stadt Valencia ein Erlass verkündet, der die Vertreibung der Morisken aus diesem Reich anordnete. Damit hatten Bischof Ribera und die anderen Radikalen ihren gnadenlosen Willen durchgesetzt. Dem einzigen Widerstand, mit dem aufseiten der Christen noch zu rechnen war, begegnete man auf besondere Weise: Dem christlichen Adel – der große Einbußen in seinen Ländereien befürchten musste, sobald die billige Arbeitskraft der Morisken verloren ging – versprach man deren gesamten Landbesitz sowie sämtliche Güter, die die Morisken bei ihrer Vertreibung zurücklassen mussten. Diese durften

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