Die Pfeiler des Glaubens
knöpften ihnen unterwegs das Geld ab, sobald sie sich in den Schatten der Bäume setzten oder das Wasser aus den Flüssen tranken, die jahr hundertelang ihnen gehört hatten. Viele von ihnen litten Hunger, und einige mussten ihre Kinder verkaufen, um die verbliebenen Familienangehörigen ernähren zu können. Mehr als einhunderttausend Morisken aus Valencia versammelten sich unter schärfster Bewachung in den Häfen von Grao, Denia, Vinaroz und Moncófar.
Hernando sah überrascht auf. Wenn Rafaela in die Bibliothek gestürmt kam, noch dazu ohne anzuklopfen, musste etwas vorgefallen sein. Die wenigen Male, die seine Frau sein Heiligtum betreten hatte, während er an seiner Koranabschrift arbeitete, war es ausnahmslos um wichtige Themen gegangen. Sie trat näher und stellte sich vor den Schreibtisch. Hernando betrachtete sie im Schein der Lampen: Aus dem verschüchterten Mädchen von einst war eine stattliche dreißigjährige Frau geworden. Eine Frau, die – nach ihrem Gesichtsausdruck zu schließen – tief erschrocken war.
»Weißt du etwas über den Erlass zur Vertreibung der Morisken aus Valencia?«, fragte Rafaela.
Hernando zögerte, ehe er antwortete.
»Ja … aber …«, stammelte er. »Ich weiß nur, was alle wissen: Man hat sie aus dem Königreich Valencia vertrieben.«
»Aber du kennst nicht die genauen Bestimmungen, oder?«, fragte sie unerbittlich.
»Meinst du die Regelungen über Geldbesitz?«
Rafaela wurde ungeduldig.
»Nein.«
»Rafaela, worauf willst du hinaus?« Selten hatte er sie so angespannt erlebt.
»Ich habe auf dem Markt gehört, dass der König Sonderregelungen für Mischehen von Altchristen und Neuchristen getroffen hat.« Hernando rutschte auf seinem Stuhl nach vorn. Davon wusste er nichts. Er forderte sie mit einer Geste auf weiterzusprechen. »Moriskinnen, die mit Altchristen verheiratet sind, dürfen in Spanien bleiben, und auch ihre Kinder. Aber die Morisken, deren Frauen Altchristinnen sind, müssen Spanien verlassen … und ihre Kinder mitnehmen, die älter als sechs Jahre sind. Die jüngeren Kinder bleiben hier, bei ihren Müttern.«
Bei den letzten Worten zitterte ihre Stimme.
Hernando stützte die Ellbogen auf den Tisch, verschränkte die Finger und legte seine Stirn hinein. Wenn das Gesetz des Königs auch für ihn galt, bedeutete das, dass sie auch Amin und Laila ausweisen würden. Muqla und die beiden Kleinen könnten bei Rafaela in Spanien leben … Nur, wovon? Seinen Landbesitz und sein Haus würde man konfiszieren, und sein Vermögen …
»Unserer Familie wird das nicht passieren«, behauptete er mit entschiedener Stimme.
Rafaela strömten die Tränen über das Gesicht. Sie zitterte am ganzen Leib und blickte aus ihren feuchten Augen zu ihrem Mann. Hernando spürte, wie sich sein Magen verkrampfte.
»Hab keine Angst«, sagte er zärtlich und stand auf. »Du weißt doch, das Verfahren wegen meiner Anerkennung als Hidalgo ist eingeleitet, und ich habe auch schon erste Dokumente aus Granada erhalten. Ich habe dort wichtige Freunde aus dem Umfeld des Königs, die sich für mich einsetzen. Glaub mir, man wird uns nicht ausweisen.«
Er ging zu ihr und nahm sie in den Arm.
»Heute …«, Rafaela schluchzte, »heute Morgen ist mir auf dem Heimweg mein Bruder Gil begegnet.« Hernando runzelte die Stirn. »Er hat mich ausgelacht. Sein Lachen wurde immer lauter, je schneller ich von ihm wegging …«
»Warum hat er so gelacht?«
» › Dein Mann will ein Hidalgo sein! ‹ , hat er mir hinterhergerufen. Da habe ich mich umgedreht und ihm vor die Füße gespuckt.« Rafaela ließ ihren Tränen jetzt freien Lauf. Hernando drängte sie weiterzusprechen. » › Dieser Ketzer wird niemals den Adelsbrief erhalten ‹ , hat er dann noch behauptet.«
Sie wussten also bereits davon! Es war nicht anders zu erwarten gewesen. Miguel hatte es den Pächtern sowie den Adligen gesagt, die Pferde kaufen wollten, und die Nachricht hatte die Runde gemacht.
»Rafaela, auch wenn sie mir nicht sofort den Stand eines Hidalgos zugestehen … Allein der Rechtsstreit zögert die Ausweisung um Jahre hinaus. Du wirst sehen. Es werden wieder andere Zeiten kommen.«
Aber seine Frau war nicht zu trösten. Ihre Klagen erschütterten die nächtliche Stille … Hernando löste sich aus ihrer Umarmung und stellte sich hinter sie, er strich zärtlich über ihr Haar und versuchte, eine Ruhe vorzutäuschen, die seinem tatsächlichen Gemütszustand keineswegs entsprach.
»Beruhige dich doch«, flüsterte
Weitere Kostenlose Bücher