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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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einzustellen. Aber niemand konnte dem Blutbad noch Einhalt gebieten.
    Wie sollte er nur seine Mutter finden? Oder war sie schon eine der zahllosen Leichen auf dem blutgetränkten Dorfplatz?
    »Mutter …«, stöhnte er und ließ seine Waffe sinken.
    »Hernando? Bist du es? Hernando!«
    Er riss den Krummsäbel wieder in die Höhe. Wo war sie?
    »Mutter!«
    »Hernando!« Ein Schatten schnellte auf ihn zu. Er wollte schon zum Schlag ausholen. »Hernando!« Aischa fiel ihm um den Hals.
    »Mutter! Lob sei Gott! Komm. Wir müssen weg«, rief er und zerrte sie am Arm – doch wohin?
    »Deine Schwestern! Raissa und Zahara fehlen!«, drängte Aischa. »Musa und Aquil sind hier bei mir.«
    Zwei Schüsse schlugen dicht neben ihnen ein. Links von Hernando sackte eine junge Frau leblos zusammen.
    »Hier ist ein Maure!«, rief ein christlicher Soldat.
    Im Blitzgewitter der Arkebusen nahm Hernando einen kleinen Schatten neben sich wahr. Raissa? Er meinte, seine Schwester erkannt zu haben. Er packte die Kleine und zog sie hinter sich her.
    »Raissa ist hier«, rief er seiner Mutter zu.
    »Und Zahara?«
    Jetzt leuchteten als Antwort drei Pulverblitze auf. Hernando stieß seine Mutter weiter und zerrte das Mädchen hinter sich her.
    »Wir müssen los!«
    Sie rannten zum Terrassenfeld und dann hinunter in die Schlucht.
    Sie hielten erst an, als die Schüsse nur noch ein entferntes Donnern waren. Aischa brach zusammen. Musa und Aquil begannen zu weinen. Nur Hernando und das Mädchen schwiegen. Sie versuchten wieder zu Atem zu kommen.
    »Danke, mein Sohn«, sagte Aischa, als sie wieder aufstehen konnte. »Wir müssen weiter. Hier ist es zu gefährlich und wir … Raissa?« Aischa trat zu dem Mädchen und lüftete ihren Gesichtsschleier! »Aber … du bist nicht Raissa!«
    »Ich heiße Fatima«, keuchte das Mädchen, noch immer außer Atem. »Und das hier«, bei diesen Worten blickte sie auf den Säugling, den sie schützend an ihre Brust schmiegte, »ist Salvador … Ich meine: Humam.«
    In der Dunkelheit konnte Hernando Fatimas große mandelförmige schwarze Augen zwar nur schwer erkennen, aber er nahm durchaus das Funkeln in ihrem Blick wahr, das die tiefe Nacht erhellte.
    Auf dem Kirchplatz von Juviles starben zahllose Frauen und Kinder. Nur diejenigen, die sich in die Kirche geflüchtet hatten, überlebten hinter verschlossenen Türen. Der Platz war am nächsten Morgen mit Leichen übersät und in Blut getränkt. Neben den gefallenen Soldaten, die im allgemeinen Tumult aus Versehen erschossen worden waren, fand sich unter den Toten nur ein einziger Moriske. Der Marquis von Mondéjar ließ daraufhin drei Soldaten hinrichten: Sie hatten im Schutz der Dunkelheit versucht, eine Moriskin zu vergewaltigen. Ihre Schreie, mit denen sie ihre Ehre retten wollte, hatten die Verwirrung ausgelöst, die dann zu dem schrecklichen Blutbad führte.

11
    S ie war dreizehn Jahre alt, stammte aus Terque, einem Ort im Osten der Alpujarras und hatte keine Ahnung, wo sich ihr Mann derzeit aufhielt. Das erzählte Fatima Hernando auf dem Weg nach Ugíjar. Humams Vater hatte sich einer Gruppe von Aufständischen angeschlossen, die im äußersten Westen der Alpujarras gegen den Marquis von Los Vélez kämpfen wollten. Sie selbst war von den Christen gefangen genommen und wie so viele andere Moriskinnen nach Juviles gebracht worden.
    Aus ihren schwarzen Augen sprach großer Kummer, aber auch feste Entschlossenheit. Hinter ihnen ging Aischa. Seitdem sie erkannt hatten, dass Raissa in Juviles zurückgeblieben war, hatte sie kein einziges Wort mehr gesprochen. Hernandos Stiefbrüder waren erschöpft und klagten bei jedem Schritt.
    Ein neuer Tag brach an, als wäre nichts geschehen. Die eisige Kälte und der Schnee ließen alles so rein erscheinen, dass ihnen das Blutbad von Juviles nur mehr wie ein böser Traum vorkam.
    Aber es war geschehen, und Hernando hatte sein Ziel erreicht: Seine Mutter war gerettet. Nur seine Stiefschwestern … Und Hamid? Was war wohl aus ihm geworden?
    Hernando nutzte die ersten Sonnenstrahlen, um seine neue Begleiterin verstohlen von der Seite zu betrachten: Das lockige schwarze Haar fiel ihr über die Schultern, sie hatte einen dunklen, olivfarbenen Teint und fein geschnittene Gesichtszüge. Trotz ihrer Erschöpfung bewegte sie sich geschmeidig und zugleich würdevoll. Fatima spürte seinen Blick und erwiderte ihn. Dabei lächelte sie ein wenig, und ihre wunderschönen dunklen Augen strahlten ihn an. Hernando spürte, wie ihn

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