Die Pfeiler des Glaubens
Scheide.
»Na, mein Hübscher!«, rief einer der Schaulustigen und grinste, als Hernando ihn zur Seite stieß. Dann kniff ihn auch noch jemand in den Hintern.
Hernando fand die beiden Frauen bei den Maultieren. Sie hatten am Ortseingang haltgemacht, weil sie nicht wussten, wohin sie gehen sollten. Die beiden Jungen versuchten die Tiere davon abzuhalten, den vorbeiströmenden Menschenmassen hinterherzutrotten. Weder Aischa und Fatima noch seine Stiefbrüder konnten ihre Erleichterung verhehlen, als Hernando zu ihnen stieß. Selbst die Maultiere schienen sich über die bekannte Stimme zu freuen, die sie nun antrieb. Niemand wusste etwas über den Verbleib von Ibrahim.
Im Haus empfing Salah, das dicke Oberhaupt der Familie, sie mit einer an Unterwürfigkeit grenzenden Höflichkeit. Der Kaufmann zog mit seiner Familie ins Erdgeschoss und überließ den Neuankömmlingen das obere Stockwerk. Dort stand in einem der Zimmer ein riesiges Bett. Salah erklärte, dass er die übrigen Möbel verkauft hatte, nicht ohne zuvor – das wiederholte er nachdrücklich – alle Wandbehänge und Gemälde mit christlichen Darstellungen zerstört zu haben.
Es wurde dunkel, und Aischa bereitete zusammen mit Salahs Frau das Abendessen zu. Fatima brachte den Männern Limonade. Sie war nicht verschleiert und lächelte Hernando an, als sie ihm einen Becher reichte. Der junge Mann spürte einen Stich im Herzen. Hatte sie ihm verziehen? Seine Mutter schwatzte und lachte mit Salahs Frau und den Kindern in der Küche. Ibrahim war noch immer nicht aufgetaucht. Beim Wachwechsel wies Hernando einen der Soldaten an, etwas über den Verbleib seines Stiefvaters herauszufinden.
»Ibrahim ist bei Ibn Abbuh«, berichtete der Arkebusenschütze, er hatte einen der Hauptleute des Königs gefragt.
Bevor sie sich wieder in die Küche zurückzog, blickte Fatima zu Hernando herüber und schenkte ihm schon wieder ihr Lächeln! Er atmete tief ein.
»Du hast eine gute Ehefrau.« Salahs sachliche Feststellung holte Hernando in die Wirklichkeit zurück. »Sie ist so ruhig.«
Hernando atmete wieder aus und führte den Becher zum Mund, um den Händler aus den Augenwinkeln zu betrachten. Trotz der kalten Nacht schwitzte Salah. Warum war er so nervös?
»Allah hat euch einen Sohn geschenkt. Meine ersten beiden Kinder waren Mädchen«, sprach Salah weiter.
Die Neugier des Händlers störte Hernando. Eigentlich könnte er ihn ja mit seiner Familie vor die Tür setzen … Aber dann hörte er wieder, wie Aischa fröhlich in der Küche plauderte. Wie lange hatte er seine Mutter nicht mehr lachen gehört?
»Und dann hat er dir vier Söhne geschenkt«, sagte Hernando schließlich.
Salah wollte gerade antworten, als ihn der Ruf des Muezzins unter brach. Sie beteten und aßen danach gemeinsam zu Abend. Die Speise kammer des Händlers war gut bestückt. Nach dem Essen sah Hernando sowohl bei den Pferden als auch bei Jusuf und den Maultieren vorbei. Die Tiere hatten den Gemüsegarten verwüstet. Salahs Frau hatte ihrem Mann einen flehenden Blick zugeworfen.
»Es sind die Pferde des Königs«, war seine Antwort gewesen, begleitet von einem vielsagenden Blick zu den wachhabenden Arkebusenschützen.
Sie brauchen mehr Gerste und Heu, dachte Hernando. Der König hatte angeordnet, dass er die Pferde immer bereithalten solle, also konnte er sie nicht zum Grasen auf andere Koppeln außerhalb von Ugíjar bringen. Es war spät geworden. Hernando legte im Freisitz Decken für die Nacht bereit.
»Ich bleibe hier bei den Tieren – den Pferden des Königs«, kam er Salah zuvor, der verwundert zur Kenntnis nahm, dass der junge Mann nicht bei seiner Frau schlief.
Jusuf leistete ihm Gesellschaft und lauschte aufmerksam seinen Erzählungen, bis beide einschliefen. Obwohl er im Freisitz nur von einem Dach geschützt war, konnte Hernando zum ersten Mal seit Tagen wieder gut schlafen: Fatima hatte ihn angelächelt!
Am frühen Morgen sah er nach den Tieren und entschied, zum König zu gehen. Er brauchte Geld, um Heu zu kaufen. Aber Aben Humeya konnte ihn nicht empfangen. Der König hatte sich wieder im Herrenhaus des Notars eingerichtet und empfing dort die Anführer einer Janitscharen-Kompanie, die eben aus Algier eingetroffen war.
Hernando beobachtete diese Janitscharen neugierig. Gironcillo hatte nicht zu viel versprochen. Sie trugen hohe, spitz zulaufende Turbane, Pluderhosen, lange Marlotas und einfache Pantoffeln. Viele hatten imposante Schnurrbärte. Beeindruckend war auch die
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