Die Pferde vom Friesenhof 01 - Start mit Hindernissen
Traktor mit Anhänger zuckelte heran. Auf dem Hänger standen zwei rot-weiß gestreifte Strandkörbe. »Strandkorbvermieter Ingwersen«, sagte Meike Eichhorn. Sie erinnerte sich gut an den blonden Mann und seine beiden Söhne, die sie beim Ausritt am Strand getroffen hatte. Und an den Leonberger Hund. Vielleicht ihr erster Patient? Schlagartig verbesserte sich ihre Laune. Vergnügt ging Frau Eichhorn zum Wartezimmer hinüber und öffnete die Tür.
Doch statt Ingwer Ingwersen schob sich ein hoher Vogelkäfig durch die Türöffnung, verhängt mit einem rot karierten Geschirrtuch. Frau Eichhorn stutzte. In dem Käfig saß wohl kaum ein Leonberger Hund!
»Emu kriegt keine Luft«, sagte eine Mädchenstimme. Es war Jette Jacobs, wie sich herausstellte, nachdem sie das Vogelbauer auf dem Behandlungstisch abgesetzt hatte. »Dann wollen wir mal sehen, warum.« Meike Eichhorn lächelte und zog das Tuch vom Käfig.
Verstohlen musterte Jette die schlanke Frau mit den freundlichen Augen. Konnte es stimmen, was Leif Harding erzählte? Nach den unglaublichen Neuigkeiten, die Jette gestern im Wattenkrug belauscht hatte, hatte Jette gleich mit ihren Freundinnen Kriegsrat gehalten. Einstimmig beschlossen sie, dass Jette heute mit ihren Wellensittichen zur Friesenhofpraxis fahren musste. Dabei sollte sie Frau Eichhorn genau in Augenschein nehmen. Natürlich wollte Jette auch Klara und Lea über die schlimmen Gerüchte informieren.
Eigentlich wirkt die Tierärztin richtig nett, dachte Jette. Sah so eine Betrügerin aus, die einen alten Mann übers Ohr haute? Nein, bestimmt nicht.
»Schön, dass du deinen Emu so gut beobachtet hast«, sagte Frau Eichhorn. »Viele Leute merken gar nicht, wenn es ihrem Vogel schlecht geht.« Die Tierärztin warf einen Blick auf die beiden Wellensittiche, die sich sofort schlank machten und auf eine andere Stange hüpften. »Ist Emu der blaue? Wie heißt denn der grüne?«
»Kiwi. Und ich heiße Jette Jacobs.«
Kiwi tippelte auf seiner Stange näher heran und legte den Kopf schief. »Moinmoinmoinmoinmoin«, plapperte er. »Fünfklarä, Uwä.«
Frau Eichhorn lachte. »Was bedeutet das Letzte?«
»Fünf Klare, Uwe«, übersetzte Jette. »Klare, das sind Schnäpse, und Uwe heißt mein Vater. Uns gehört der Wattenkrug, da hört Kiwi so etwas den ganzen Tag.« »Steht der Käfig denn in der Gaststube?«
Jette nickte. »Vorher hing der Käfig in meinem Zimmer, da ging es Emu gut. Er ist erst so komisch, seit er in der Gastwirtschaft steht. Sperrt immer den Schnabel auf.« Behutsam nahm Meike Eichhorn den blauen Wellensittich heraus und untersuchte ihn. »Eigentlich ist er nicht richtig krank. Weißt du, was Emus Problem ist?«, fragte sie. »Er verträgt die Luft in der Gaststube nicht. Zigarettenrauch, Bratengeruch aus der Küche - das ist Gift für Vögel.«
Gift für Vögel ... Gift, das aus der Gaststube kam. Frau
Eichhorn ahnte nicht, wie doppeldeutig das Wort war, das sie ahnungslos aussprach. Denn sie selbst schwebte ebenfalls in Gefahr, Opfer der vergifteten Luft im Wattenkrug zu werden. Die Luft in der Gaststube war nicht nur belastet von Dunst und Qualm, sondern auch von bösen Gerüchten.
»Glauben Sie, dass Emu wieder fit wird, wenn ich ihn in mein Zimmer zurückhole?«
»Bestimmt.«
Geschickt setzte Frau Eichhorn den blauen Wellensittich in den Käfig, wo er sofort zu Kiwi hüpfte und Schutz suchte. »Du hast Glück, dass der grüne Sittich so robust ist. Aber mit der Zeit würde Kiwi ebenfalls krank in der Gaststube. Also, bring die beiden zurück in dein Zimmer. Denk auch an das Badehäuschen. Wellensittiche wollen jeden Tag ins Wasser. Moment...«
Frau Eichhorn ging zur Schrankwand und zog ein Fläschchen aus der obersten Schublade, das sie Jette in die Hand drückte. »Das träufelst du in den nächsten Wochen täglich ins Trinkwasser. Ein echter Muntermacher für Emu und Kiwi.«
Sie setzte sich vor den Computer und sah Jette an. »Ich lege eine Karteikarte mit deiner Adresse an. Falls deine Vögel mal wieder etwas haben, können wir gleich ...« »Ach nein, lieber nicht.« Jette unterbrach sie hastig. »Bitte schicken Sie keine Rechnung. Kann ich gleich bezahlen?« Sie zog zwei zerknitterte Geldscheine aus der Hosentasche und hielt sie Frau Eichhorn hin. »Reicht das? Sonst leihe ich mir etwas bei Niels Ingwersen, der wartet draußen.«
Das kam Frau Eichhorn merkwürdig vor. Aber sie wies sich in Gedanken zurecht: Heute siehst du überall Gespenster.
Sie stand auf und gab
Weitere Kostenlose Bücher