Die Pferde vom Friesenhof 03 - Flucht bei Nacht und Nebel
und kamen morgens nicht heraus.
Das glaubte Markus Eichhorn. In Wahrheit standen alle Zimmer längst leer. Die Betten waren seit einer Stunde verlassen. Seit fünf Uhr waren alle Mädchen auf den Beinen. Im Moment verfolgten vierzehn Augenpaare gespannt jede Bewegung von Dr. Eichhorn. Die Augen lugten durch sämtliche Stallfenster. Wie Kletterpflanzen klebten zwölf Reitermädchen und Eichhorns Töchter an der Außenmauer.
Leise pfeifend ging Herr Eichhorn durch die Stallgasse. »Für dich, Magic. Und das ist für dich, Luna«, sagte er und warf Heu in die Boxen. Er wandte sich auf die andere Seite. »Jetzt kommt ihr dran, Rambo, Zorro und du, Muli.« Er holte aus, um Mulis Heu über die Tür zu werfen. Mitten in der Bewegung hielt Markus Eichhorn inne. Er verstummte.
Vor dem Fenster hielten die Zuschauer den Atem an. Markus Eichhorns Augen weiteten sich. Er konnte nicht glauben, was er sah. Der Reitlehrer wischte sich übers Gesicht. Träumte er? Er schüttelte den Kopf, als wollte er ein Hirngespinst vertreiben. Es half nichts - was er sah, war keine Einbildung.
In der Box neben Muli stand ein fremdes schwarzes Pferd, um den Hals ein rotes Tuch geschlungen.
»Ein Vollblut«, murmelte Markus Eichhorn. Trotz der Überraschung kam gleich der Pferdekenner in ihm durch. Der feine Kopf, die großen Nüstern, die schlanken Beine wiesen den Schwarzen als edles Pferd aus. Dr. Eichhorn öffnete die Tür und näherte sich dem Rappen. Langsam setzte er einen Fuß vor den anderen. Bei jedem fremden Pferd war Vorsicht angebracht. Man wusste nie, wie es sich benahm.
Ein rotes Halstuch leuchtete ihm entgegen. Dieses Tuch, wo hatte er das schon einmal gesehen? Er kam ihm bekannt vor. Dr. Eichhorn löste den Knoten des Halstuchs.
Ein Stück Papier rutschte aus dem Stoff und fiel hinunter, er konnte es gerade noch auffangen.
Draußen stießen sich die heimlichen Zaungäste an. Jetzt kam es darauf an!
Markus Eichhorn entfaltete den Zettel und las mit gerunzelter Stirn: »Wo ich herkomme, schlagen sie Pferde mit Stacheldrahtpeitschen! Mich stopfen sie mit Dopingmitteln voll. Und sie binden mir die Zunge fest. Bitte behaltet mich auf dem Friesenhof Ich werde bestimmt ein gutes Schulpferd!«
Dr. Eichhorn verschlug es die Sprache. Er starrte auf die Handschrift. Klaras Handschrift, das erkannte er sofort. Die flammende Anklage hatte seine große Tochter Klara geschrieben. Kein Zweifel. Markus Eichhorn musste nicht lange überlegen, was für ein Pferd vor ihm stand. Ein Traber! Den hatte Klara garantiert von der Rennbahn hierher verschleppt. War sie noch bei Trost?
Markus Eichhorn atmete tief durch und sah sich um, ob er seine Tochter entdeckte. Sicher versteckte sie sich in der Nähe, um seine Reaktion zu beobachten.
»Klara!«, brüllte er durch die Stallgasse. Und noch einmal: »Klaaara!«
Vor Schreck ließen sich zwei Mädchen von ihrem Aussichtsfenster auf den Sandweg fallen.
Auch Tipo sprang entsetzt zurück. Dr. Eichhorn drehte sich zu ihm um. »Tut mir Leid, hab nicht daran gedacht, dass du anders bist als meine Schulpferde.«
Zitternd presste sich Tipo an die Trennwand zu Muli.
Obwohl er vor einigen Stunden noch nach dem Maultier geschnappt hatte, schien Muli nun Tipos einziger Halt zu sein.
Dr. Eichhorn zitterte auch. Aber vor Ärger darüber, was seine Tochter ihm eingebrockt hatte.
Betont gelangweilt schiendeten Klara und Kim durch die Stalltür herein. Sie guckten an die Decke, als ob es da etwas Interessantes zu sehen gäbe.
»Der Traber geht ja wohl auf deine Kappe, was?«, sagte Dr. Eichhorn heftig und warf Klara das rote Halstuch zu. »Das vermisst du doch sicher.«
Klara blickte an ihrem Vater vorbei. Den Krach mit ihm hatte sie kommen sehen, obwohl sie andererseits auf seine Unterstützung hoffte. »Papa, wenn du gesehen hättest, wie die auf der Rennbahn mit den Pferden umgehen«, sagte sie leidenschaftlich, während sie das Halstuch wieder umband. »Die geben Tipo Dopingmittel, Papa. Das kannst du doch nicht dulden. Der Besitzer hat gesagt, Tipo kommt weg, wenn er so nervös bleibt.« Hinten im Stall kam Unruhe auf. Die Haflinger Joker und Bonny traten mit den Hufen gegen die Türen. Sie wollten ihr morgendliches Heu. Sofort ließen sich die Fjordpferde von dem Protest anstecken, Flicka und Ibsen polterten mit.
Dr. Eichhorn hob zwei Ballen Heu an, zog ein paar Rippen heraus und setzte seine Heufütterung mit malmenden Backenknochen fort.
Kim lief hinter ihm her und sagte einschmeichelnd: »Tipo
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