Die Pferde vom Friesenhof 03 - Flucht bei Nacht und Nebel
Geschirr klapperte, die Reitermädchen saßen draußen beim Abendessen.
Luna und Magic, die beiden Friesenpferde, steckten ihre schwarzen Köpfe aus dem Fenster, als sie Klaras vertraute Schritte hörten.
»Ich bringe euch bald einen neuen Kumpel«, flüsterte sie ihnen zu. »Seid nett zu Tipo, er ist ein armer Hund.« Aufmerksam stellte Luna die Ohren auf. Sie schien genau zuzuhören. Mit den Lippen fasste sie Klaras Weste und zog das Mädchen näher heran.
Klara lachte. »Keine Sorge, Luna, du bleibst immer meine Nummer eins.«
Sie strich der schönen Stute über die Nase, dann lief Klara zum Friesenhaus hinüber. Plötzlich meldete sich der Hunger. Dabei hatte sie vorhin noch gedacht, dass sie keinen Bissen essen könnte nach den Vorfällen heute. Doch kaum sah sie ihre Pferde und den Reiterhof, verflog ihre düstere Stimmung.
Klara ging zu den Gartenbänken und setzte sich zu den lärmenden Mädchen. Sie quetschte sich zwischen Lea und Emma Hansen.
»Sind deine Eltern krank? Oder warum darfst du bei uns essen?«, erkundigte sich Klara bei Emma und fischte einen dampfenden Maiskolben aus dem Topf.
Die zwölfjährige Emma, ein blasses, blondes Mädchen, war kein Feriengast. Sie wohnte in Westerbüll und war mit überbesorgten Eltern geschlagen. Obwohl sie zwei Shettys besaß, die bei einem Bauern standen, durfte
Emma nicht reiten. Dabei hätte sie es liebend gern gelernt. Jede unbewachte Minute verbrachte Emma auf dem Friesenhof.
Mit großem Appetit nagte sie Maiskörner ab. »Krank? So ähnlich«, antwortete Emma kauend. »Mama ist bei einem Vortrag über Salmonellen und Sommergrippe. Papa hört sich etwas über ausgebeutete Kinder im Leistungssport an.«
Klara ließ ihren Maiskolben sinken. »Kinder im Leistungssport, darüber muss ich mit euch sprechen. Allerdings geht es nicht um Menschenkinder, sondern um Pferdekinder.«
Mit gesenkter Stimme berichtete Klara von Tipo und den schlimmen Methoden auf der Rennbahn. Und von ihrer Absicht, Tipo heute Nacht zu befreien und auf den Friesenhof zu bringen. Sie hatte den Plan schon in allen Einzelheiten durchdacht.
»Wir müssen die Ferienkinder einweihen. Lass mich ausreden, Lea«, sagte sie schnell, als ihre Schwester protestieren wollte. »Wenn wir mit Tipo ankommen, kannst du darauf wetten, dass unsere Pferde wiehern. Das hört man im Haus, zumindest im Hafi-Zimmer und im Kaltblut-Zimmer. Garantiert denken die Kinder, es wären Einbrecher auf dem Hof. Dann wecken sie unsere Eltern, bevor Tipo im Stall steht.«
»Klingt einleuchtend«, sagte Lea. Sie stieg auf die Bank und schlug mit dem Löffel gegen den Topf. »Kommt alle mal her! Es gibt ein Geheimnis!«
Die Mädchen sprangen auf. Teresa rannte als Erste los und kippte dabei eine Tasse mit Tee um, der rote Flecken auf ihrem T-Shirt hinterließ.
»Das war mein letztes T-Shirt«, stöhnte sie. »Ich stehe auf Kriegsfuß mit Tee.«
»Einen Trost hast du - dein Name passt zu dir«, sagte Lea. »Tee-resa.«
Erwartungsvoll scharten sich die Mädchen nun um den Tisch.
»Was ihr jetzt hört, ist schlimmer als ein paar Teeflecke«, sagte Lea. »Wehe, eine von euch verrät ein Wort. Leg los, Klara.«
Klara berichtete von den ungeheuerlichen Vorfällen auf der Trabrennbahn. Immer mehr steigerte sie sich in ihren Zorn hinein und riss die Ferienkinder mit.
Alle versprachen, mitzuziehen, um Tipo zu retten. Obwohl sie nicht viel mehr tun konnten, als Herrn Eichhorn zu bestürmen, den Traber zu behalten, sobald der auf dem Friesenhof angekommen war.
Bis dahin hieß es: eisern schweigen. Auf keinen Fall durften sie sich anmerken lassen, welch aufregende Nacht bevorstand.
»Unser Motto ist: Rettet Traber Tipo vor Tierquälern. Abgekürzt: RTTVT. Schwört, dass ihr dichthaltet«, forderte Klara.
Die Mädchen stiegen auf die Bänke, klatschten ihre Handflächen aneinander und brüllten im Chor:
»RTTVT - RTTVT - RTTVT!«
Der Krach holte Meike Eichhorn nach draußen. »Wieso schreit ihr so?«, rief sie. »Was bedeutet das: RTTVT?« Die Mädchen sahen sich an und suchten nach einer passenden Antwort.
»Rettet Teresas T-Shirt vor Teeflecken«, gab Lea geistesgegenwärtig zurück.
Frau Eichhorn rieb sich das Kinn und musterte die Reitermädchen. »Und das soll ich glauben?«
Bei Nacht und Nebel
»Kein Deckenlicht, das sieht man von draußen durch die Fenster«, sagte Klara und tastete sich durch den dunklen Stall des Friesenhofs. »Leuchte mir nur beim Satteln mit der Taschenlampe, Lea.«
Es war kurz
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