Die Pferde vom Friesenhof 03 - Flucht bei Nacht und Nebel
vor zwei in der Nacht.
Die beiden Schwestern huschten von der Sattelkammer zurück zu den Boxen. Der Kegel von Leas Taschenlampe hüpfte durch die Stallgasse. Magic und Luna grummelten freundlich über ihre Türen. Die anderen Pferde dösten weiter, sie fühlten sich nicht gestört.
Behutsam legte Klara Muli, dem Maultier, den Sattel auf. Gestern Abend hatten sie alle Kriegsrat gehalten und entschieden, dass Klara zur Trabrennbahn reiten sollte. Tipo brauchte auf dem Rückweg zum Friesenhof einen Kumpel. Die Wahl fiel auf Muli, das Maultier. Muli war cool, ein Einzelgänger, der auch allein geritten werden konnte, ohne ängstlich zu sein. Außerdem ging er ohne Hufeisen, er weckte also nicht halb Westerbüll durch Hufgetrappel auf.
Die Box neben Muli stand leer. Lea wollte sie mit Stroh einstreuen und alles für Tipos Einzug vorbereiten.
Fast geräuschlos verließen Klara und Muli den Stall. Lea hatte sogar die Tür geölt, damit sie nicht quietschte.
»Kim und Niels warten ab drei Uhr an der Rennbahn«, flüsterte Lea. »Schaffst du das?«
Klara schwang sich in Mulis Sattel. »Kinderspiel.«
So leicht wurde es dann doch nicht. Als Klara das Ortsschild »Westerbüll« hinter sich ließ, hörten auch die Straßenlaternen auf.
Die Fahrbahn war kaum zu erkennen, und als Klara auf den Feldweg nach Seestedt einbog, ahnte sie die Richtung lediglich. Nur die wenigen erleuchteten Häuser in der Feme wiesen ihr den Weg.
Hoffentlich geraten wir nicht in Wehle, dachte Klara besorgt, als sie querfeldein ritt. Solche Wasserlöcher, Wehle genannt, gibt es viele an der Küste. Wehle sind tief und steil und darin sammelt sich Überschwemmungswasser. Man sieht die runden Teiche kaum, sie gehen übergangslos in Grasflächen über. Dass es an den Wehlen spuken sollte, diesen Gedanken schob Klara ganz weit weg. Sie ließ die Zügel lang und überließ es Muli, selbst den Pfad zu suchen, und das Maultier ging sicher seinen Weg.
Kurz vor der Rennbahn stieg Klara ab, legte Muli ein Halfter um und band ihn an einen Pfosten. Im Graben lag halb verdeckt das Fahrrad von Niels. Er hatte Kim auf dem Gepäckträger mitgenommen, einer musste ja auf dem Heimweg Muli führen.
Leise Pfiffe lotsten Klara in die richtige Richtung. Die beiden warteten am Eingang.
»RTTVT«, flüsterte Kim, und Niels sagte leise: »Ihr seid total verrückt. Das ist eine typische Klara-Eichhorn-Idee, hab ich Recht?«
»Hast du den Schlüssel?«, fragte Klara zurück.
Niels öffnete einen Kasten und hielt ihn Klara hin. »Was heißt einen - hier sind fünfzehn! Drei davon habe ich nach eurem Muster zurechtgefeilt, die anderen konnte ich von Freunden borgen. Ein Schlüssel wird ganz bestimmt passen.«
Kim lief los und drückte sich an den Stallungen entlang. Die weißen Wände leuchteten in der Dunkelheit. Falls sich ein Trainer auf der Rennbahn aufhielt - er würde sie sofort vor dem hellen Holz erkennen. Das wusste Kim und sie konnte es nicht fassen, dass Klara und Niels ihr nicht dicht auf den Fersen blieben. Ein Stück hinter sich hörte sie die beiden leise diskutieren.
»Wollt ihr Gespräche führen, bis hier das Morgentraining beginnt?«, raunte Kim über die Schulter. »Wir müssen zusehen, dass wir schnell weg sind.«
Niemand schien die nächtlichen Besucher zu bemerken. Alles blieb ruhig, als sie den Stall mit dem Schild »Trabertrainer Dirk Thiessen« erreichten. Niels schob den ersten Schlüssel ins Schloss.
Klara wunderte sich, dass sie keine Angst hatte. Im Gegenteil, sie fühlte sich beschwingt und voll freudiger Erwartung. Erst nachdem ein Schlüssel nach dem anderen versagte, als inzwischen Schlüssel Nummer zehn nicht passte, spürte sie ein unruhiges Kribbeln im Bauch. Dann kam der elfte Versuch. Ruckelnd ließ sich der
Schlüssel einstecken. Niels feilte den Metallbart an einigen Stellen nach, versuchte es erneut - und nun konnte er aufschließen. Er strahlte und öffnete Klara und Kim mit einer Verbeugung das Tor.
In den Boxen standen die Traber ruhig und schäfrig, als sie eintraten. Auch Tipo döste. Als Klara seine Tür öffnete, wurde er sofort hellwach und wich zurück. Erst als sie leise auf ihn einredete, folgte Tipo ihr zögernd am Führstrick auf den Hof.
Niels verschloss die Tür wieder und sie machten, dass sie vom Rennbahn-Gelände wegkamen. Ohne ein Wort zu reden, hasteten sie mit Tipo auf dem Grünstreifen neben der Straße entlang zu der Stelle, wo Muli angebunden war. In der Nacht war das graubraune Maultier nicht zu
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