Die Pferde vom Friesenhof 03 - Flucht bei Nacht und Nebel
der Polizei soll ich ein Pferd stehlen?«
Kommissar Jäger lehnte sich über die Boxentür und betrachtete den Rappen. »Hab schon öfter mit Trabern zu tun gehabt. Wenn sie mit Sachverstand trainiert werden, sind sie fit und zäh«, sagte er mit einem Seitenblick auf Markus Eichhorn. »Sie halten endlose Ausritte aus, ohne müde zu werden.«
»Haben Sie gehört, Herr Eichhorn?«, rief Emma.
Klara griff nach Emmas Hand und drückte sie, als wollte sie die Finger zerquetschen.
Markus Eichhorn verdrehte die Augen. »Wollen auch Sie mir diesen Traber aufschwatzen, Kommissar Jäger?«
Der Polizist nahm die Hände hoch. »Nein, ich bin streng neutral. Ich meinte das ganz allgemein. Ohne jeden Hintergedanken.« Er musterte Tipo. »Wir müssen das Pferd ohnehin an seinen Besitzer zurückgeben. Zumindest bis nach der Gerichtsverhandlung«, fügte Kommissar Jäger hinzu und spähte durch die Stalltür auf den Hof, wo einige Pferdehänger abgestellt waren. »Wie ist es, Herr Eichhorn, leihen Sie uns einen Hänger? Dann bringen wir Tipo gleich zurück auf die Rennbahn.«
Klara schluchzte auf, als das Wort »Rennbahn« fiel, und noch mehr, als Tierarzt Grote Tipo wegführte. Muli drückte seine Backen an die Trennwand und wieherte heiser, als der Traber die Box verließ.
»Muli will auch, dass Tipo hier bleibt«, sagte Klara. Markus Eichhorn strich ihr übers Haar und machte dann, dass er aus dem Stall kam.
Mit feuchten Augen sah Klara hinter Tipo her, dann drehte sie sich abrupt um. Sie wollte nicht mit ansehen, wie er auf den Hänger gebracht wurde. Emma nahm Klaras Hand und begann zu weinen. Die anderen Mädchen sahen zu Boden, ihnen war hundeelend.
Nur Kim behielt die Nerven. Energisch strich sie durch ihr kurzes Haar und sagte: »Hört auf zu weinen, das bringt uns nicht weiter. Wir brauchen einen genialen Einfall. Etwas, das ganz Westerbüll und Seestedt gegen die Methoden auf der Rennbahn aufbringt.«
Klara blickte hoch, halb hoffnungsvoll, halb niedergeschlagen. »Du meinst - Flugblätter verteilen?«
Kim lächelte geheimnisvoll. »Nein, ich habe da eine andere Idee. Etwas, das mehr knallt als Flugblätter. Ich sage nur: Seestedter Tageblatt. Du weißt doch, die Zeitung, die wir mit der Schule besucht haben. Der Redakteur erinnert sich bestimmt noch an unsere Klasse. Der muss uns helfen.«
Kim winkte die Mädchen zum Haus. »Können wir von deinem Zimmer aus telefonieren, Klara?«
Pferde-Redaktion
Mit spitzen Fingern zog Uli Lettermann die Pinnnadeln aus dem letzten Foto, das noch an der Wand über seinem Schreibtisch hing. Sorgfältig legte er das Bild in einen Karton mit anderen Aufnahmen.
Uli Lettermann, ein zweiundvierzigjähriger, gemütlicher Mann mit Vollbart, arbeitete als Redakteur beim »Seestedter Tageblatt«. Im Moment konnte man allerdings nicht von arbeiten sprechen. Seit heute Morgen kam er nicht zum Schreiben, weil sein Büro von einer Malerfirma heimgesucht wurde. Schränke und Schreibtische lagen unter Folie.
In der Zimmerecke stand ein Maler auf einer Trittleiter und strich die Decke. Bis zum Abend musste Uli Lettermann alle Wände freiräumen, die morgen drankamen. Redakteur Lettermann griff zu einer Kaffeetasse, die er unter seinem Schreibtisch in Sicherheit gebracht hatte, und betrachtete dabei das oberste Foto, auf dem eine Schulklasse zu sehen war. Er schmunzelte. Vor ein paar Monaten war diese siebte Klasse aus Westerbüll in seiner Redaktion gewesen. Er erinnerte sich genau an die aufgeweckten Zwölf- und Dreizehnjährigen der Projektgruppe »Schüler machen Zeitung«.
Unter der Abdeckplane schrillte das Telefon.
»Kann ich die Plastikfolie hochnehmen?«, rief Uli Lettermann dem Maler zu.
»Kriechen Sie lieber darunter«, gab der Meister von der Leiter zurück. »Ich kann nicht garantieren, dass Ihr Schreibtisch keine Farbe abkriegt.«
Uli Lettermann zog die Folie hoch und nahm den Hörer ab. »Das ist Gedankenübertragung«, sagte er verblüfft, als Kim Behrens aus Westerbüll sich meldete. »Gerade habe ich das Foto von eurem damaligen Redaktionsbesuch vor mir.«
Er erinnerte sich gut an das hochgewachsene Mädchen mit dem Kurzhaarschnitt. Kim war eine von denen gewesen, die das Zeug zur Reporterin hatten, denn sie verfolgte hartnäckig ihr Ziel. Jeder Spur war sie nachgegangen. Auch dann noch, wenn ihre Klassenkameraden längst die Lust verloren hatten.
Kim kam sofort zur Sache. »Wir brauchen Ihre Hilfe, Herr Lettermann. Es geht um einen Skandal auf der
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