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Die Pflanzenmalerin

Titel: Die Pflanzenmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Davies
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Anderson wechselte einen Blick mit Gabriella. »Ihr Angebot kommt verfrüht. Ich würde gern warten, bis ich die Bilder tatsächlich in Händen halte, bevor ich solche Dinge bespreche.«
    Ich beobachtete sie, wie sie sich über den Tisch hinweg ansahen - zwei Männer, die ihr Spiel genossen -, und irgendwie war ich die Sache leid. Ich schaute zu Katya hinüber, aber sie erwiderte meinen Blick nicht. Dann wandte ich mich Gabriella zu, die jedoch mit seltsam heiterer Miene Anderson ansah. Stille war eingetreten, und mir fiel nichts ein, was ich hätte sagen können. Ich wusste nicht einmal, was ich überhaupt empfand.
    Plötzlich hatte ich den dringenden Wunsch, für ein paar Stunden von hier wegzukommen, raus aus dem Hotel, raus aus Lincoln. Wie mein Großvater hatte ich mich in etwas gestürzt, ohne recht zu wissen, was ich tat, und jetzt versank ich darin. Es wurde Zeit, wieder aufzutauchen. Anderson würde seine Bilder bekommen, Gabriella die Mittel erhalten, um ihr Projekt noch einige Jahre weiterzuführen, einen Kampf fortzusetzen, den sie nur verlieren konnte. Katya würde weiterstudieren, und für sie würde das Ganze am Ende nicht mehr als eine interessante Anekdote sein. Und der Ulieta-Vogel, was würde aus dem werden? Er war nur noch ein Vorwand, dazu verurteilt, in einem Tiefkühlschrank in Ted Staests Labor zu enden.
    »Eine Bitte hätte ich noch«, sagte ich, ehe ich aufstand, um zu gehen. »Den Vogel nach so vielen Jahren aufzuspüren ist eine ziemliche Leistung. Sie könnten uns wenigstens sagen, wie Sie das geschafft haben.«
    Es überraschte mich, wie bereitwillig Anderson auf meine Bitte einging. Unter seiner glatten Schale freute er sich darüber, das sah ich, freute sich über seine eigene Detektivarbeit. Während also der restliche Rotwein eingeschenkt und getrunken wurde, erzählte er uns, was er im letzten halben Jahr gemacht hatte. Es war im Grunde denkbar einfach, er hatte nur Geduld und Geld und natürlich das nötige Glück gebraucht. Das meiste hatte er von Amerika aus erledigt; er hatte Rechercheure dafür bezahlt, dass sie in England die Arbeit für ihn taten. Über die Familie Stamford war er schon bald im Bilde gewesen.
    »John Stamford ist 1917 an der Westfront gefallen«, sagte er. »Zu der Heimkehr, auf die er sich so gefreut hatte, kam es nicht mehr. Bei Kriegsende war das Familienvermögen dahin. Das Haus musste aufgeteilt und verkauft werden, und das war das Ende der Stamfords. Was aus der Schwester geworden ist, weiß man nicht - wahrscheinlich hat sie geheiratet und ist weggezogen. Mit Sicherheit wissen wir nur, dass das Inventar von Old Manor unter den Hammer kam.«
    Diese Versteigerung war Andersons eigentlicher Ausgangspunkt gewesen. Er beschaffte sich den Auktionskatalog und konzentrierte sich auf ausgestopfte Vögel und andere Tiere. Dann grenzte er die Suche auf die Stücke ein, die den Vogel, auf den er es abgesehen hatte, enthalten konnten. In dem Katalog waren die Verkäufer jedes einzelnen Stücks aufgeführt, und Anderson nahm ihre Spur auf. Das hätte jederzeit in einer Sackgasse enden können - hätte von Rechts wegen in einer Sackgasse enden müssen . Aber wie durch ein Wunder war das nicht geschehen. Während Anderson noch in New York weilte, war es seinen Leuten hier gelungen, jedes Stück, für das er sich interessierte, zurückzuverfolgen.
    »Das waren keine wissenschaftlichen Einträge in dem Katalog«, erklärte er, »nur Beschreibungen - ›eine Sammlung Singvögel‹ zum Beispiel oder ›vier Tauben‹. Aber nachdem ich die Stücke, die nicht in Betracht kamen, ausgeschlossen hatte, blieben noch sieben übrig. Und die haben wir nach und nach bis dorthin verfolgt, wo sie sich jetzt befinden. Alle sieben. Können Sie sich vorstellen, wie gering die Chancen waren? Da habe ich mich entschlossen, selbst herüberzukommen. Meine einzige Sorge war, dass mir jemand zuvorkommen könnte, jemand, der einen Teil der Arbeit schon vor mir gemacht hatte.« Er sah mich über den Tisch hinweg an. »Aber meine Sorge war wohl unbegründet.«
    Alle wandten sich jetzt mir zu, doch ich sah nur Anderson an, nickte und wartete, bis sich die Aufmerksamkeit wieder auf ihn richtete. Er schwieg, wie ein Zauberer, der auf seinen großen Moment wartet.
    »Wir haben jetzt sechs Vögel«, begann er schließlich, »aber keiner davon ist der, den wir suchen. Morgen bekomme ich Fotos des letzten, dann habe ich die Antwort.«
    »Fotos?«, fragte Potts. Er klang gekränkt. »Nur Fotos? Warum

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