Die Pflanzenmalerin
sich unmöglich schwitzend und ungewaschen in einem behelfsmäßigen Feldlabor vorstellen konnte. So war sie immer gewesen, auch in heißesten, schmutzigsten Zeiten, immer irgendwie kühler und gepflegter als wir anderen. Ich kannte mindestens einen Wissenschaftler, der ihr, als keine Gehälter mehr gezahlt wurden, nur wegen des Hauchs von Glamour, den sie der Arbeit verlieh, die Treue gehalten hatte. Neben den beiden saß Katya, jünger und weniger selbstbewusst. Dann kam, irgendwie puttenhaft wirkend, Potts. Wie ich wirkte, wusste ich nicht. Ich wusste nicht einmal, ob ich mich selbst kannte.
Potts war es, der das eigentliche Thema des Abends anschnitt. Er lehnte sich zurück und schob mit Entschiedenheit die Daumen in seine Westentaschen.
»Wir haben gerade Ihr handwerkliches Können bewundert, Mr. Anderson.« Er zeigte auf die Fotokopie, die noch auf dem Tisch lag. »Sie haben den Stamford-Brief benutzt, um Ted Staest für Ihre kleine Expedition zu interessieren, wollten aber sicherstellen, dass er die Information nicht weitergeben kann. Deshalb haben Sie die Namen auf dem Umschlag vertauscht. Toll. Einfach, clever, wirkungsvoll. Sie müssen sich totgelacht haben über uns.«
Anderson betrachtete das Blatt lächelnd, sagte dann aber in seinem üblichen ruhigen und höflichen Ton:
»Ganz im Gegenteil, das würde ich niemals tun. Die Konkurrenz herabzusetzen macht sich nie bezahlt. Aber mit dem Vertauschen der Namen haben Sie Recht, auch wenn es nicht so sorgfältig geplant war, wie Sie zu glauben scheinen. Ich wusste, dass sich Staest für den Vogel interessieren würde, aber er kannte auch die Geschichte von den Bildern, und ich konnte mir nicht sicher sein, dass er sie für sich behalten würde. Schon erstaunlich, was man mit Pauspapier, einem Radiergummi und einem Hotel-Kopierer alles machen kann. Und als ich dann hörte, dass jemand die Fotokopie, die ich Staest dagelassen hatte, in die Hände bekommen hatte...« Er verstummte und zuckte entschuldigend die Schultern. Potts musste den Satz selbst beenden.
»Da haben Sie einen Mann nach Stamford geschickt, damit ich jemanden hatte, dem ich mich an die Fersen heften konnte. Guter Schachzug.«
Anderson schenkte uns sein gewinnendstes Lächeln. »Aber wohl nicht unbedingt nötig. Zu dem Zeitpunkt war ich Ihnen schon ein halbes Jahr voraus.«
Potts schaute etwas wehmütig drein, wie ein älterer Schachspieler, der gerade von seinem Lieblingsenkel geschlagen worden ist. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und hob sein Glas.
»Da dürften Sie Recht haben. Dem Sieger die Beute.« Er nahm einen großzügigen Schluck Rotwein. »Darf ich fragen, ob Sie die Beute überhaupt schon haben?«
»Noch nicht. Aber morgen treffe ich mich mit jemandem. Ich bin zuversichtlich, dass ich den Vogel bald in Händen halten werde.«
»Pah! Der Vogel! Wen interessiert schon der Vogel?« Potts sah auf und verbesserte sich. »Außer natürlich Mr. Fitzgerald. Was ist mit den Bildern? Haben Sie sie gefunden?«
»Der Mann, mit dem ich mich morgen treffe, weiß nichts von den Bildern. Er weiß nur, dass er einen sehr alten ausgestopften Vogel besitzt. Nach meinen Recherchen besteht eine gute Chance, dass es der richtige ist.«
»Dann haben Sie ihm nicht gesagt, dass sein Vogel möglicherweise auf Kunst im Wert von einer Million Dollar sitzt?«
Anderson fand die Frage offensichtlich geschmacklos; er schaute auf die Uhr über der Bar.
»Wollten Sie mich heute Abend in einer bestimmten Angelegenheit sprechen, Mr. Potts? Denn andernfalls...«
Der Amerikaner nickte.
»Allerdings. Kein Grund, gekränkt zu sein. Also, Anderson, wenn Sie die Bilder finden, wem wollen Sie sie verkaufen?«
»Zwölf Blätter von Roitelet? Da wird es an Interessenten nicht fehlen.«
»Wenn Sie hier damit an die Öffentlichkeit gehen, werden Sie jede Menge Schwierigkeiten bekommen. Auf Ihrem Gebiet mögen Sie ja Experte sein, aber ich verstehe was von Kunst. Glauben Sie mir, man wird die Bilder schneller mit einem Exportverbot belegen, als Sie einen Anwalt anrufen können. Aber wenn Sie jemanden hätten, der sich um die Formalitäten kümmert... Hören Sie, Anderson, ich könnte die Bilder in null Komma nichts in die Staaten schaffen, komplett mit allen Dokumenten, die Sie brauchen, um zu beweisen, dass sie die ganzen Jahre irgendwo auf einem Dachboden in Pennsylvania gelegen haben. Keine Kosten für Sie, keine Verzögerungen, keine Anwaltsgebühren. Nur eine bescheidene Provision.«
»Soso.«
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