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Die Pforte

Die Pforte

Titel: Die Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
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vor.»
    Ihr Handy klingelte. Sie warf einen Blick aufs Display,meldete sich und vertröstete den Anrufer auf später. Dabei schwang in ihrer Stimme die gleiche Anspannung mit, die er bei den Leuten im Flugzeug bemerkt hatte.
    Dann sah sie ihn mit einem Blick an, der deutlich machte, dass nun keine Zeit mehr für höfliches Geplänkel war, und zugleich um sein Verständnis heischte. «Wären Sie zu einer Vernehmung unter Natriumpentothal bereit? Dabei können wir vielleicht mehr von dem zutage fördern, was das Flüstern Ihnen erzählt hat.»
    Er hatte den Eindruck, als würde sie sich von diesem Vorgehen selbst nicht allzu viel versprechen, aber als wolle sie lieber nichts unversucht lassen. Außerdem schwante ihm, dass er auf jeden Fall auf diese Weise vernommen würde, unabhängig davon, ob er zustimmte oder nicht. Trotzdem nett von ihr, dass sie zumindest fragte.
    An der Wand hinter ihr hing etwas, das nicht zu der kühlen, nüchternen Büroeinrichtung passen wollte. Es sah aus wie ein Werbeplakat für eine Rockband: die Nahaufnahme einer Metalloberfläche, in die grob die Worte ELEMENTAR-INVERSIVE GRAVITATION geritzt waren. Sonst nichts. Keine Tourdaten, keine Internet-Adresse.
    Paige erwartete eine Antwort von ihm. Vermutlich sollte er ihre Geduld nicht überstrapazieren.
    «Tun Sie, was Sie nicht lassen können», sagte er.
    «Danke.» Sie deutete auf eine Tür links von ihm. «Falls Sie sich frisch machen wollen, dort ist ein Badezimmer. Ich bin in ein paar Minuten wieder da, dann fangen wir an.»
    Er wandte sich zu der Badezimmertür um, während sie sich zur Tür des Büros entfernte.
    «Ich dachte ja, mit Heavy-Metal-Bands würde ichmich auskennen», sagte er. «Aber eine ist mir wohl entgangen.»
    Sie hatte die Tür bereits geöffnet, drehte sich jetzt aber noch einmal zu ihm um. «Wie bitte?»
    Er sah sie an. Sah, wie sie ihn mit verständnisloser Miene anschaute.
    «Elementar-inversive Gravitation.» Er deutete mit dem Kopf auf das Plakat. «Von denen habe ich noch nie was gehört.»
    Sie blieb reglos an der Tür stehen und starrte ihn an. Als würde sie überhaupt nicht begreifen, wovon er da redete. Vielleicht war sie ja von den Medikamenten noch etwas benebelt, obwohl ihr übriges Verhalten eigentlich nicht darauf hindeutete.
    Dann endlich zeigte sie eine Reaktion.
    Sie kehrte einen Schritt ins Zimmer zurück. Verengte die Augen und schaute zwischen ihm und dem Plakat hin und her. «Das können Sie lesen?»
    Er wollte schon fragen, ob bei ihr alles in Ordnung war, stutzte aber dann selbst. Er betrachtete noch einmal das Bild, das auf einmal gar nicht mehr wie ein Werbeplakat wirkte, eher wie eine vergrößerte forensische Aufnahme. Vor allem den Text sah er sich genauer an. Musterte ihn eingehend, statt ihn bloß zu lesen.
    Das war kein Englisch.
    Das war nicht einmal richtig geschrieben. Es gab keine unterscheidbaren Zeichen oder Symbole. Keinerlei wirkliche Ordnung. In das Metall war bloß ein chaotisches Gewirr von Schnörkeln und Linien geritzt, die sich überschnitten und in alle Richtungen zeigten, wie ein Durcheinander von Nähnadeln und losen Fäden.
    Aber er konnte es lesen.
    Er konnte es lesen, ganz deutlich, ohne auch nur darüber nachzudenken. Als stünde dort vor ihm in weißen Lettern das Wort STOP auf einem roten Achteck.

STROPHE III
    EINES SPÄTEN ABENDS IM OKTOBER 1992
     
    Hier in dem höher gelegenen Bezirk westlich der Innenstadt herrschen zwar bessere Sichtverhältnisse – es ist weniger neblig und die Straßen sind hell erleuchtet   –, aber Travis fährt trotzdem unverantwortlich schnell. Auch nachdem er das Nobelviertel Empire Oaks erreicht hat, wo tadellose Asphaltstraßen sich zwischen geräumigen Luxusdomizilen entlangwinden, drosselt er sein Tempo nicht. Weil es ihm diesmal egal ist, wer oder was ihn kommen hört – von seinem Vorhaben, das ihn hierherführt, wird ihn nichts und niemand abhalten.
    Er denkt an Emily und fragt sich, ob sie ihm wohl in den letzten Minuten ihres Lebens, als sie wusste, dass es vorbei war, die Schuld gegeben hat. Natürlich hätte sie dazu jedes Recht gehabt, doch irgendwie weiß er instinktiv, dass sie stattdessen sich selbst die Schuld gegeben hat. Dieser Gedanke löst einen solchen Schmerz in ihm aus, dass er ihn nicht mehr in Worte zu fassen vermag. Im Geist hat Travis ihn bereits zu der Schuld hinzuaddiert, die er in den nächsten Minuten begleichen wird.
    Als er mit achtzig Sachen in der Stunde in den Stonegate Court abbiegt,

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