Die Pforte
mit dem Bau des SGIS begonnen wurde, da ist es wohl verständlich, dass ich noch nie im Leben so aufgeregt war wie jetzt, wo der erste Schuss in wenigen Stunden bevorsteht. Ungefähr zwanzig Leute aus dem Energieministerium werden dabei zugegen sein, darunter auch Minister Graham. Er hat vorhin schon beiuns vorbeigeschaut. Ganz nett. Scheint, als wüsste er ganz gut Bescheid, welche Bedeutung dieser Ort für die Physik und die Wissenschaft überhaupt hat, in groben Zügen zumindest, auch wenn ein Kollege gelästert hat, als er wieder rausgegangen war, dass er ein geladenes W-Boson wahrscheinlich für eine Spezialität bei Taco Bell halten würde, haha. (Nichts für ungut, Herr Minister, falls Sie das mal lesen sollten, wir albern viel herum.)
Vorhersagen für den ersten Schuss? Ha, ich werde mich hüten. Natürlich gibt es die Erwartung, dass wir die Untergrenze des Higgs-Bosons um ein Prozent weiter anheben können als im Standardmodell vorhergesagt, aber kein Mensch behauptet, dass das schon beim ersten Schuss passiert! Wenn ich ganz tollkühn wäre, würde ich mich zu der Aussage versteigen, ich hoffe, dass wir im Lauf der Zeit sogar ein noch signifikanteres Ergebnis erzielen, aber weil ich mir später bei Lektüre dieses Eintrags nicht vorkommen will wie ein Trottel, halte ich bloß fest, dass ich stolz bin, hier zu sein und diesem Team anzugehören, dem ein so besonderes Unternehmen anvertraut wurde. Hier spreche ich wohl für uns alle. Gezeichnet David Bryce.
7. März 1978 – vermutlich Viertel nach 18.00 UTC
Hier wieder David Bryce. Dieser Bericht über den Teilchenabschuss ist für Ermittler bestimmt, für den Fall, dass wir hier unten alle umkommen, ehe Hilfe eintrifft. Die von den Apparaten aufgezeichneten Daten dürften restlos verloren sein, aufgrund der Einwirkung auf das Metall. Es ist mir ein Rätsel, wie wir das überlebt haben, das Eisen in unserem Blut oder die Kupferspuren in unseren Nervenzellen hätten davon eigentlich auch betroffen sein müssen, mit sofortiger Todesfolge. Vielleicht wurden sie ja in Mitleidenschaft gezogen,und wir zeigen bloß noch keine Symptome. Wir sind alle völlig außer uns und haben große Angst. Im Folgenden nun der Bericht, alles, was ich weiß, damit derjenige, der dies findet, zumindest den groben Ablauf kennt.
Das Teilchen wurde planmäßig um 17.40 UTC abgeschossen. Im Augenblick der Kollision leuchteten alle Gegenstände aus Metall hier im Bunker in verschiedenen Farben auf, je nach Metall, vorwiegend in Blau- und Grüntönen. Im Wandtelefon leuchtete irgendetwas grellgelb auf, keine Ahnung, was das war. Der Staatssekretär aus dem Energieministerium, Porter, ist zusammengebrochen und hatte, von jetzt auf gleich, keinen Puls mehr. Zwei Kollegen aus dem Ministerium, die ihn gut kannten, sagten, er hätte einen Herzschrittmacher. Ziemlich leichtsinnig, finde ich, ihn trotzdem hier unten teilnehmen zu lassen, obwohl wir nie damit gerechnet hätten, dass es gefährlich werden könnte. Trotzdem, wenn ich das mit dem Schrittmacher vorher gewusst hätte, hätte ich wohl von einer Teilnahme abgeraten. Den Leichnam haben wir an der hinteren Bunkerwand abgelegt, nicht besonders pietätvoll zwar, aber was sollen wir sonst tun.
Ruben Ward ist ebenfalls zusammengebrochen, aber aus einem anderen Grund. Als der Schuss abgegeben wurde, hatte er beide Hände auf das Metallgehäuse der Ringschalter gelegt. Keine Ahnung, ob er davon einen Stoß oder was auch immer erhalten hat, jedenfalls ist er ganz plötzlich bewusstlos umgekippt. Er liegt jetzt auf dem Boden, immer noch bewusstlos, den Kopf auf ein paar Pullover gebettet.
Das Leuchten ist nach etwa dreißig Sekunden erloschen. Zu dem Zeitpunkt verfügten wir über null Informationen, alle elektrischen Systeme waren ausgefallen, Computer,Messgeräte, alles. Auch die Beleuchtung im Bunker war aus. Sehen konnten wir bloß etwas, weil aus der Schusskammer ein helles Licht den Flur hinunterstrahlte, direkt an der Tür vorbei. Es ist sehr hell, und indirekt fällt einiges davon hier in den Raum. Der Winkel ist ungünstig, deswegen können wir aus dem Fenster in der Tür nicht durch den Flur bis zur Kammer selbst schauen. Wir haben keine Ahnung, was da drinnen vor sich geht oder wo das Licht herkommt. So eine helle Lichtquelle haben wir da draußen jedenfalls nicht installiert, das weiß ich. Es leuchtet auch jetzt unvermindert weiter, dreißig oder vierzig Minuten nach dem Schuss.
Wir haben abgestimmt und
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