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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Reinhild mit einem Hauch von resigniertem Sarkasmus. »Hedwigs Jünger.«
    Elsbeth wollte etwas darauf erwidern, schluckte es aber dann hinunter. Wenn sie ehrlich sein wollte, fühlte sie selbst Befremdung darüber, dass es nun schon drei Frauen aus der Stadt waren, die immer wieder um Gespräche mit Hedwig baten und an ihren Lippen hingen. Bislang hatte Hedwig nicht erkennen lassen, ob es sie störte; wie immer war sie sanft und freundlich. Elsbeth hatte jedoch den Eindruck, dass die Anhänglichkeit der drei älteren Frauen nicht unbedingt förderlich war für die junge Klosterschwester. In der letzten Zeit war sie ganze Tage in ihren »Zuständen« geblieben, und wenn etwas Elsbeth davon abhielt, einzugreifen, dann nur, weil der komatöse Zustand, den Hedwig noch in Papinberc während ihrer Visionen erlitten hatte, einer leichten Weltentrücktheit Platz gemacht hatte, während derer Hedwig durchaus imstande war, an der Umwelt Anteil zu nehmen.
    Die drei Frauen standen nervös bei der Klostermauer. Guda Wiltin knetete ihre Hände. »Es wäre wichtig, wenn Ihr in die Ratsstube kommen würdet, ehrwürdige Mutter«, sagte sie.
    Elsbeth seufzte inwendig. Vom Alter her hätte sie Guda Wiltins Tochter sein können. Sie hatte der Frau bereits einmal erklärt, dass es genügte, wenn sie sie mit »Schwester Elsbeth« anredete, aber Guda war nicht dazu zu bewegen.
    »Wer wünscht mich dort zu sprechen?«
    »Niemand«, platzte Guda heraus. »Das ist es ja.«
    Mechthild Gramlipin sagte: »Es findet dort eine Unterredung statt, von der wir dachten, dass Ihr sie mit anhören solltet.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja.«
    »Und wer vom Rat hat euch geschickt?«
    »Wir sind von allein gekommen«, sagte Mechthild Gramlipin, und es war klar, dass ihr Mann Lubert ihr etwas gesteckt hatte. Lubert Gramlip hatte seit jenem Gespräch vor dem Stadtrat, bei dem Meffridus Chastelose die Waagschale zu Elsbeths Gunsten gesenkt hatte, auf Seiten der Zisterzienserinnen gestanden.
    »Ich kann nicht einfach dort hineinplatzen«, sagte Elsbeth.
    »Doch, das könnt Ihr. Soweit ich weiß, hat man Euch oder Eurem Baumeister noch keine einzige Frage zu dem Unglück vor zwei Tagen gestellt.«
    »Ihr könnt sagen, dass Ihr darüber mit dem Rat sprechen wollt, ehrwürdige Mutter«, ergänzte Guda.
    »Quasi ein zufälliges Zusammentreffen«, sagte die dritte Frau, deren Namen Elsbeth nicht kannte.
    Elsbeth musterte ihre Besucherinnen. »So dringend ist es?«
    Die drei Frauen nickten. Elsbeth raffte ihren Habit und eilte davon.
    Die Ratsherren standen in einer Ecke der Ratsstube zusammen und starrten auf etwas, das auf dem Boden lag. Als Elsbeth ganz unzeremoniell in den Raum kletterte, fuhren sie schuldbewusst auseinander wie kleine Kinder. Zu ihrer Überraschung war der Gegenstand der Aufmerksamkeit ein großer Plan, der auf dem Holzboden ausgerollt und an den Ecken mit Steinen beschwert war. Zwei Zisterziensermönche hockten davor, und es war klar, dass sie den Ratsherren gerade etwas erklärt hatten.
    »Ah …«, machte Everwin Boneß und verstummte dann ratlos.
    Elsbeth brauchte nicht genau hinzusehen; sie wusste, dass der Plan auf dem Boden den Klosterneubau von Ebra darstellte. Die beiden Mönche standen würdevoll auf und neigten die Köpfe in ihre Richtung.
    »Ich bin wegen des Unglücks vor zwei Tagen hier«, sagte Elsbeth und ahnte im selben Moment, dass sie keinen größeren Fehler hätte machen können.
    Der eine der beiden Zisterzienser lächelte fein. »Wir auch, Schwester. Welch ein glücklicher Zufall.«
    »Ja … äh …«, sagte Everwin.
    Der Mönch wandte sich schwungvoll um und wies auf den Plan. »Willst du nicht näher kommen, Schwester? Frauen verstehen zwar nichts von Bauplänen, aber lass dich von der Schönheit der Geometrie erleuchten.«
    Elsbeth trat durch die Gasse, die die Ratsherren für sie öffneten. Lubert Gramlip zog eine betont neutrale Miene. Sie sah auf den ersten Blick, dass der Plan bei weitem nicht die Qualität dessen besaß, den Wilbrand entworfen hatte; zum Ausgleich dafür war das Kloster, das die Zisterzienser bauen wollten, so pompös wie der Palast eines Kardinals, mit Bauten, die sich über eine Fläche hinzogen, auf der ein ganzes Dorf Platz gefunden hätte. Die Versuchung war groß, ihre Glaubensbrüder auf einzelne Fehler hinzuweisen – Perspektiven, die nicht stimmten, Bogen, die sich nicht in der Mitte trafen, Gewölberippen, die die Kräfte nicht dorthin ableiteten, wo Säulen eingezeichnet waren. Der

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