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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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»Trotzdem«, sagte er dann.
    »Es kommt ja auch nicht darauf an, was Ihr oder ich glauben. Wichtig ist, was die Leute glauben, wenn Ihr es ihnen erzählt.«
    »Du scheinst zu glauben, dass du die Kirche und den Orden von Cîteaux in den gleichen Schmutz ziehen kannst, in dem du watest.«
    »Ich glaube, dass Ihr eher Euer Kloster fertiggestellt sehen wollt als das von Schwester Elsbeth. Und ich glaube, dass Ihr durch eine Menge Schmutz waten werdet, um dieses Ziel zu erreichen.«
    Bruder Hildebrand sah zu Boden. Dann sah er hinauf in den Himmel über dem fehlenden Dach seiner Klosterkirche, dann zum Sanktuarium, das ein Lager aus zerborstenem Stein und Brettern enthielt statt eines Kruzifix. Zuletzt schlug er dreimal das Kreuzzeichen und faltete die Hände zu einem geflüsterten Gebet. »Was ich den Leuten erzählen werde …«, sagte er dann.
    »Den Leuten in Wizinsten«, erklärte Constantia. »Den Bürgern, vor allem aber den Arbeitern.«
    Der Zisterzienster musterte sie unentwegt.
    »Ich an Eurer Stelle würde sagen«, fuhr Constantia fort, die selbst davor erschrak, mit welcher Leichtigkeit sie wusste, wie sie vorzugehen hatte, und dass es ihr beinahe Vergnügen bereitete, »dass es ein Leichtes wäre, dem Tunnel ganz zu folgen – bis zum neuen Kloster. Ich würde sagen, dass ein Bordell ein Bordell bleibt, auch wenn es von außen wie ein Zisterzienserinnenkloster aussieht und wenn die Frauen darin graue statt bunter Kleidung tragen. Ich würde sagen, dass ich nicht am Bau einer Anlage beteiligt sein wollte, in der die Sünde der Fleischeslust bis zur Sünde des Mordes konsequent fortgedacht wird und deren Bauplan dies vermutlich bereits in Rechnung trägt. Ich würde sagen, dass ich nicht in einer Stadt leben wollte, unter deren Erde die Seelen ermordeter Säuglinge umherirren und nach einem Ausgang suchen, um sich Gesellschaft zu holen. Das würde ich sagen. Ihr werdet natürlich viel bessere Worte finden.«
    Bruder Hildebrand bewies, dass er sich durchaus noch an den pragmatischen, gradlinigen Geist von Cîteaux erinnerte, indem er sagte: »Ich würde sagen, dass die Nonnen um Schwester Elsbeth in ihrem neuen Kloster Männer empfangen und die Kinder, die daraus entstünden, in einem geheimen Tunnel zwischen dem Kloster und der Stadt aussetzten und umkommen ließen.«
    Constantia neigte den Kopf.
    Hildebrand schnaubte. »Wenn ich das sagte, würde ich dem Orden von Cîteaux den schwersten Schlag seit seiner Gründung versetzen. Vor gar nicht langer Zeit hat das Generalkapitel erst der Gründung von Frauenklöstern uneingeschränkt zugestimmt, nach vielen Diskussionen. Ich würde meinem Orden einen schlechten Dienst erweisen.«
    »Aber welchen Dienst würdet Ihr Ebra erweisen!«
    Das linke Auge des Mönchs begann zu zucken. Constantia sah ihn an, ohne eine Miene zu verziehen. Hier war jemand, der in den nächsten Nächten schlecht schlafen würde. Der Teufel hatte Jesus auf einen hohen Berg geführt und ihm alle Reiche der Welt angeboten, wenn er ihn nur als Herrn anerkannte. Jesus hatte abgelehnt. Bruder Hildebrand war nicht Jesus, so viel war klar. Sie stand auf.
    »Ich danke dafür, dass Ihr mich empfangen habt«, sagte sie.
    Bruder Hildebrand sah zu ihr auf, gefangen in seiner eigenen Hölle. Er umklammerte das Schmuckkästchen mit den weißen Fingerknöcheln. »Alle deine Ränke haben nur Demütigungen für mich und meine Baustelle gebracht«, sagte er heiser.
    Constantia wies in die Richtung, in der sie beim Herkommen den Klosterfriedhof gesehen hatte. »Wenn Ihr zu viel Furcht habt, begrabt das Kästchen.«
    »Jemand wie du«, krächzte Bruder Hildebrand, »tut so etwas doch nicht ohne Hintergedanken. Es geht dir nicht darum, dass Ebra in dem Glanz ersteht, der ihm zusteht. Worum geht es dir? Worum ging es dir die anderen Male? Was erwartest du dafür?«
    »Betet für mich, Bruder«, sagte Constantia honigsüß, verbeugte sich und schritt davon.
    In der Nacht, die sie und Ella im Frauenschlafsaal des Klosterhospizes verbrachten, erwachte Constantia plötzlich von dem Geflüster, mit dem Ella sich mit ihrer Tochter unterhielt. Sie richtete sich auf den Ellbogen auf und sah in der vagen Düsternis, wie Ella die Kleine stillte. Ella machte ein schuldbewusstes Gesicht. »Ich wollte dich nich’ wecken«, flüsterte sie. »Die Kleine ist eh’ gleich abgestillt.«
    Constantia fühlte den Blick der Kinderaugen auf sich ruhen. »Wie heißt sie überhaupt?«, fragte sie nach einer Weile.
    »Ursi«, sagte Ella

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