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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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stolz. »Eigentlich Ursula, aber ich nenn sie halt immer Ursi.« Sie lachte verlegen und kitzelte die Kleine unterm Kinn. »Sie is’ ja auch fett wie ’n Bär. Job sagt immer, ich soll sie beim vollen Namen nennen, weil es ihn aufregt, dass zu ihm alle Job sagen statt Jobst, wo er doch eigentlich so heißt und nich’ so wie der arme Kerl aus der Bibel.«
    Constantia hatte eine vage Vorstellung von Job, Ellas Mann: ein Hüne mit Pranken, die das Loch in einem Abort zudecken konnten und der vom armen Fischer zum Lieferanten für die Arbeiter auf der Baustelle aufgestiegen war, weil sich in seinen Reusen in der Swartza die besten Fische fingen.
    »Willst du sie mal halten?«, fragte Ella. Noch bevor Constantia protestieren konnte, hatte sie ein warmes, atmendes Bündel in der Hand, das Muttermilch aufstieß und sie in der Düsternis des Schlafraums unentwegt anstarrte. Sie spürte, wie sich in ihr etwas bewegte, von dem sie gehofft hatte, dass es längst erstarrt sei. Sie versuchte das Kind zurückzugeben, doch Ella war zu beschäftigt. »Meine Titten sin’ groß wie Euter geworden, schau dir das nur an. Job sagt, nich’ mal er kann sie mehr in ’ner Hand halten. Aber er sagt, er mag sie noch viel lieber als vorher, weil wenn ich jetz’ meine Tage hab, klemmt er seinen …«
    »Hier, nimm sie«, stotterte Constantia.
    »Halt sie doch noch, wirst sehen, sie mag dich. Sie war ja auch das Kind bei deiner Hochzeit, das bedeutet doch was. Oh, entschuldige … das hätt ich nich’ sagen sollen, wegen Rudeger und weil die Gesetzlosen den armen Kerl totgeschlagen ham … du vermisst ihn sicher, du Arme …«
    Das Kind streckte einen Arm aus der locker gewordenen Wickelung und ergriff Constantias freie Hand. Es war eine völlig bedeutungslose Geste, aber auf einmal fühlte sie die Berührung wieder, die nicht kalte, nicht glatte Berührung. Sie hatte wie eine Verrückte gegraben in jener Nacht, voller Angst, dass die Geräusche draußen zu hören wären, hatte mit den Fingern weiter gebuddelt, als die Messerklinge abgebrochen war. Sie hatte den Erdblock als Ganzes aus dem zertretenen Boden im alten Wachturm gehoben, doch als sie ihn in das Schmuckkästchen hatte pressen wollen, wäre er ihr beinahe aus den Händen gefallen. Sie hatte nachgefasst, aber der Block hatte sich schon gedreht, und statt der bröseligen Feuchte der Erde hatte sie gefühlt …
    Was sie ausgegraben hatte, war die kleine weiße Krabbe gewesen; die skelettierte Hand des Säuglings, auf die sie getreten war, als sie Meffridus’ Tunnel zum ersten Mal besucht hatte. Sie hatte den Knochen auf einmal in ihren Händen gespürt und einen Augenblick lang gedacht, die kleinen weißen Finger würden sich um ihre Hand schließen. Sie hatte Tage danach immer noch das Bedürfnis gehabt, sich die Haut abzuschrubben. Und jetzt packte Ursi sie in genau der gleichen Weise und ließ sie nicht mehr los, und sie hatte das Gefühl, dass die Knochenhand exakt die Größe von Ursis kleinem warmem Händchen besessen hatte.
    »Nimm sie«, gurgelte Constantia, dann stürzte sie hinaus in den Abort, fiel vor dem nächsten Loch auf die Knie und erbrach sich, erbrach sich immer wieder, und währenddessen fühlte sie Ellas tröstende Hand auf der Schulter und Ursis tastende Finger in ihrem Haar, und Ella, die neben ihr kauerte wie die treue Magd, die sie war, flüsterte: »Na, na, na, das wird schon wieder, wirst sehen, du findest wieder dein Glück, du hast doch ’n gutes Herz …«
    2.
WIZINSTEN
     

     
    Constantia betrat ihr Haus und wusste, dass etwas nicht stimmte. Aber was hätte sie tun können? Weglaufen? Alles, was ihr einfiel, war, Ella zusammen mit ihrer Tochter in die Küche zu schicken, dann öffnete sie die Tür zur Stube. Meffridus saß darin, hinter ihm drei seiner Männer. Sie war nicht überrascht. Der mittlere der drei Männer war Dudo, mit aufgeplatzter Augenbraue, gebrochener Nase und verschwollenem Gesicht. Er wich ihrem Blick aus.
    »Meffridus!«, sagte Constantia und war stolz, wie sehr sie ihre Stimme im Griff hatte. »Willkommen. Was ist mit Dudo geschehen? Hat er sich mit einem Esel angelegt?« Sie lächelte, wissend, wie hinreißend sie aussah, wenn ihr blondes Haar zerzaust war und ihre Wangen rot von der Bewegung an der frischen Luft.
    Meffridus warf einen Seitenblick auf einen Lederhandschuh, der auf dem Tisch lag und rotbraune Schmierer darauf hinterlassen hatte. Er bewegte die rechte Hand. »Wenn du mich für einen Esel

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