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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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entweichen.
    »Hm?«, fragte Gabriel freundlich.
    Sein Gesprächspartner rülpste.
    Gabriel pflückte ein schmales Stück Papier von einer von einem Lederbändchen zusammengehaltenen Rolle in seinem Kästchen und begann zu schreiben. Nach einer Weile hielt er das Ergebnis seinem Gesprächspartner vor die Augen. »Bitte lest.«
    Die in Alkohol schwimmenden Augen des Mannes fokussierten sich auf den Text. »Dies ssur Kunde«, nuschelte er, »dasser Träger diesser Ur … diesser Ur … diesserurkunde … nam’s Volko Wustviel … hicksdasbinichhehehehe … hicks … den Gegnwert von ssw … sssssw … sswaahei ’fund ’fennigen erhält ausm Vermöhöögen des Siegelgebers für treu … treuheue Dienste hicks. Sswahei ’fund ’fennige was? Das is’ awa scheißgro … grooho …«
    »Großzügig«, nickte Gabriel.
    »… hoszügig.«
    Gabriel nickte und lächelte sein strahlendstes Lächeln.
    »Scheiß«, sagte Volko Wustviel, »grohoszügig. Hoffe für uns beide, dass du dein’ Herrn findest, was? Un’ für ihn auch, hehehe … wann erbt man denn schoma was von seina Famililiie? Un’ wann reist ei’m sogar eina hinnaher, um’s ihm zu sagen hicks was?«
    »Richtig.«
    »Hör ma. Mir is’ eingefall’n, dass er un’ die annern beid’n die Straha … hasse nach Osten genomm’ ham. Nach Latezanum, eh. Hassu das?«
    »Latezanum.«
    »Rülps!«
    »Ihr wisst nicht, von welcher Bedeutung Eure Hilfe war«, sagte Gabriel.
    Er verließ zusammen mit seinem Begleiter die Herberge. Volko Wustviel legte das Gesicht auf die Urkunde und schlief ein. Draußen warteten Gabriels andere Knechte.
    »Wir haben den richtigen Mann gefunden«, sagte Gabriel. »Rogers und seine beiden Gefährten haben für ihn gearbeitet und einen Warentreck über die Alpen bis hierher nach Welschenbern begleitet. Ein dummer Mann, der seine alten Leibwächter entlässt und sich betrinkt, bevor er neue eingestellt hat. Unsere Beute hat die Straße nach Osten zu einer Stadt namens Latezanum genommen. Vielleicht versucht er, König Konrad in Sizilien zu erreichen. Fragen wir uns in dieser Richtung weiter.«
    »Und der Kerl?«, fragte einer der Knechte mit einer Kopfbewegung zur Schänke.
    »Ich möchte, dass er tot ist, wenn er morgen aufwacht«, sagte Gabriel. »Und vergiss nicht, mir das Papier wiederzubringen. Man kann die Rückseite noch verwenden.«
    7.
MILAN
     

     
    Anders als er es mittlerweile aus Wizinsten gewöhnt war, enthielt auch die frühherbstliche Morgendämmerung hier schon einen Hauch der Wärme, die der Tag später bringen würde. In seiner Heimat war es immer genauso gewesen. Rogers fühlte einen Stich von Heimweh, wie er es für einen erwachsenen Mann niemals möglich gehalten hätte. Die Anwesenheit seiner Mutter, die vor dem Hinterausgang des Hospizes im Freien stand und dem Sonnenaufgang zusah, gerade aufgerichtet, jeder Zoll eine Gräfin, tat ein Übriges. Ein Schmerz über Zeiten, die unwiederbringlich vergangen waren, schnürte Rogers die Kehle zu.
    Sariz de Fois drehte sich um und unterzog ihn einer langen, stummen Musterung, als sähe sie ihn jetzt zum ersten Mal. Sie schüttelte den Kopf, verwundert und gleichzeitig stolz.
    »Dein großer Bruder sah so aus wie dein Vater«, sagte sie leise. »Breit, starkknochig, verwegen – dasselbe quadratische Gesicht, die breite Nase, die dunklen Augen … und Jung-Ramons kam ebenfalls nach ihm.« Nur Rogers hörte, wie ihre Stimme kurz unsicher wurde. Jung-Ramons, zu Tode getrampelt auf dem Schlachtfeld von dem Mann, der das Geschlecht der Trencavel hasste wie kein Zweiter: der rote Ritter, der Berserker mit dem flammenfarbenen Banner, dessen heraldische Figur ein Eigenleben zu haben schien, die sich wand wie ein Drache und die Klauen spreizte und die Flügel schlug, wenn der Wind in das Tuch fuhr.
    Der Mann, der ihm in den letzten Monaten so nahe gewesen war wie kein Zweiter, nicht in der Realität, aber in seiner Seele.  
    »Du hingegen«, fuhr Sariz fort, »kommst äußerlich nach mir. Und dabei bist du derjenige, der die Charaktereigenschaften deines Vaters am unverfälschtesten geerbt hat. Ist das Wirken der Gottheit nicht seltsam? Das ist eines der wenigen Dinge, in denen wir mit den Romchristen übereinstimmen: Gottes Wege sind unerklärlich. Aber wahrscheinlich muss es so sein. Die Liebe, die dein Vater und ich füreinander stets empfanden und noch immer empfinden, ist in dir Gestalt geworden. Wenn es je einen Mann gegeben hat, der für den Weg zur

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