Die Pforten der Ewigkeit
Ordensschwester!?«
»Mama, sie war damals auf unserer Seite und ist es heute noch.«
Rogers’ Mutter blickte ihrem Sohn in die Augen. Dann sah sie hinauf in den perlmuttfarbenen Himmel. Schließlich seufzte sie und betrachtete den Ring am Zeigefinger ihrer rechten Hand. Er war abgenutzt und blind und trug das Siegel der Familie Trencavel. »Dein Vater hat mir das gegeben«, sagte sie. »Als er um meine Hand anhielt. Er sagte, dein Großvater habe vor ihm den Schmuck ausgebreitet, den deine Großmutter trug, und ihm aufgetragen, einen Ring für mich daraus auszusuchen. Du hast den alten Ramons Trencavel nicht mehr kennengelernt, aber er sprach ungefähr so: Das sind die Fois, Junior, die stinken vor Geld nicht nur aus’m Arsch, sondern auch noch aus’m Hals. Und wir stinken genauso, Junior, weil wir die Trencavel sind. Da kannst du nicht einfach hingehen und dem alten Fois sagen, hier, Euer Liebden, ich will mit deiner Kleinen glücklich werden. Da musst du ihm schon zeigen, dass du’s ernst meinst, Junior. Such dir das Teuerste aus, Junior, deine Mutter hätt’s erlaubt .« Sariz hatte einen grollenden Bass nachgeahmt. Rogers lächelte und nahm die Hand seiner Mutter. Er fuhr mit dem Finger über den Siegelring.
»Dein Vater zog deinem Großvater den Siegelring vom Finger und sagte: Dann bring ich ihm das hier .«
»Was sagte mein Großvater darauf?«
»›Jetzt wäre deine Mutter verdammt stolz, Junior!‹«
»Und dein Vater? Was sagte der?«
Sariz streckte den kleinen Finger der linken Hand ab und sagte geziert: »›Junger Graf, man sieht, dass Ihr es ernst meint. Aber putzen hättet Ihr ihn können.‹«
Rogers lachte.
»Zu diesem Zeitpunkt«, sagte Sariz, »war ich bereits von deinem Vater schwanger. Das Kind ist abgegangen. Wir waren bekümmert, aber es hat unserer Liebe keinen Abbruch getan.«
»Hast du nie darüber nachgedacht, dass es eigentlich eine Sünde ist, das Leben als Gefängnis für die Seele weiterzugeben?«
Sariz musterte ihn mit schiefgelegtem Kopf. Schließlich sagte sie: »Du hast es ihr im Bett erzählt, nicht wahr?«
»Was!?«
»Das Geheimnis deines Glaubens. Deiner Zisterzienserin.«
»Yrmengard.« Er schüttelte den Kopf. »Nein. Sie hat es geahnt. Ich musste es nur noch bestätigen.«
»Dein Vater hat gewusst, was er tat, als er die Zukunft seiner Familie in meine Hände legte und mir den Siegelring ansteckte. Weißt du auch, was du tust?«
Rogers nickte. Dann schüttelte er den Kopf.
»Was ist, mein Sohn? Bist du dir deiner Liebe nicht sicher?«
»Doch. Ich bin mir über fast nichts so sicher auf der Welt wie über das.«
»Was stimmt dann nicht?« Ihre Augen wurden groß, als die Erinnerung an alle Geschehnisse jener Minuten zwischen Leben und Tod in Colnaburg in ihr aufstiegen. »Gütiger Gott. Sie glaubt doch nicht … du hast sie doch nicht …«
Rogers biss die Zähne zusammen, aber es musste gesagt werden. »Sie hält mich für den Mann, der damals in die Kirche geritten kam und die Soldaten aufgehalten hat. Sie konnte sein Gesicht nicht erkennen, aber sie hat die ganzen Jahre von dem Kuss geträumt, den er ihr gegeben hat, und sie ist überzeugt, dass ich dieser Mann war.«
»Rogers … ich habe noch niemals zu dir gesagt, dass du dich versündigt hättest, aber diesmal tue ich es! Du willst Liebe auf einer solchen Lüge aufbauen? Das ist der Weg in die Dunkelheit, Rogers!«
»Was sollte ich denn tun? Zugeben, dass ich in Wahrheit drei Reihen weiter zurück hinter einer Säule stand, weil du mich angefleht hattest, mich lieber in Sicherheit zu bringen, als dich und Adaliz zu verteidigen, weil das Haus Trencavel nicht auch noch den letzten männlichen Erben verlieren sollte?«
»Ja, das hättest du sagen sollen.«
»Ich konnte es nicht tun! Und es ging mir dabei noch nicht mal so sehr um mich wie darum, ihren Traum nicht zerplatzen zu lassen.«
»Du musst es ihr sagen. Du musst ihr sagen, dass der Mann, von dem sie denkt, du wärst es, in Wirklichkeit der schlimmste Feind unseres Hauses, unseres Glaubens ist. Dass er sich nur deshalb zwischen uns und die Soldaten des Bischofs stellte, weil er sich kurz zuvor mit dem Kaiser verbündet hatte und einen Beweis brauchte, dass er es ehrlich meinte.«
»Ich weiß, ich weiß!«, stöhnte Rogers.
Jemand räusperte sich hinter ihnen. Der Mann, der als Bettler verkleidet auf Rogers gewartet hatte und der sich im Lauf des gestrigen Tages als einer der Bediensteten von Sariz de Fois’ milanesischem Haushalt
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