Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
hatte blicken lassen. Dieser Jemand konnte nur Rudolf von Habisburch sein, der rote Ritter mit dem flammenfarbenen Löwen im Wappen. Rudolf würde versuchen, ihn zu töten. Er, Rogers, würde das Gleiche versuchen. Es war das Einzige, was er tun konnte.
    Bis dahin konnte er nur abwarten, mit seiner eigenen Gürtelspitze Striche in die Wand ritzen, um die Tage zu zählen, und sich Mühe geben, nicht verrückt zu werden. Vage fragte er sich, was aus Ulrich von Wipfeld geworden sein mochte. Drängender lag ihm das Schicksal seiner Mutter und Adaliz’ am Herzen, aber was ihn jeden Tag wie ein gefangenes Tier in seiner Zelle auf- und ablaufen ließ, war der Gedanke an seine Dummheit, nicht erkannt zu haben, dass Schwester Hedwig die Zwilllingsschwester von Hertwig von Staleberc war und dass er sie, die ihn sogar gesundgepflegt hatte, nur hätte zu fragen brauchen, was Hertwig ihr anvertraut hatte. Und verbunden damit war die kalte, den Atem abschnürende, die Glieder lähmende Angst, dass bereits jemand auf dem Weg nach Wizinsten war und dass Yrmengard, die Frau seines Herzens, in Lebensgefahr schwebte.
    Was ihm die Kraft gab, zu warten, war die Hoffnung, dass Walter und Godefroy sich auf seine Spur gesetzt hatten und versuchen würden, ihn, seine Mutter und seine Schwester zu befreien. Er hatte nicht eine Sekunde geglaubt, dass sie sich von Sariz hatten auf die Suche nach Verbündeten schicken lassen. Für Rogers stand fest, dass die beiden sich irgendwo im Hospiz in Milan versteckt hatten und so der Entdeckung durch Gabriels Männer entgangen waren.
    Rogers ritzte den fünften Strich in die Wand und betrachtete ihn. Und mit einem Mal war ihm klar, dass ihm die Kraft fehlte, sich noch weiter zu gedulden. Mit der Erkenntnis kam ein Schwall von Selbstvorwürfen, dass er unwillkürlich aufkeuchte. Es war ein Fehler gewesen, überhaupt so lange zu warten. Er war ein verdammter Idiot. Er hatte seinen Feinden fünf Tage Vorsprung gegeben! Er hätte schon am ersten Tag versuchen sollen, auszubrechen!
    Nicht, dass er einen Plan gehabt hätte oder jetzt hatte. Tief in seinem Herzen wusste er, dass nur die reine Verzweiflung und die Angst um Yrmengard, Sariz und Adaliz ihm die Fluchtgedanken eingaben, aber die Erkenntnis kam nicht weit genug an die Oberfläche, um ihn aufzuhalten. Er wandte sich mit einem Ruck von der Wand ab und sah sich in seiner Zelle um.
    Die Wachen kamen immer einmal pro Tag, lange nach dem Einbruch der Finsternis, und stellten ihm Essen und Trinken in einer Holzschüssel und einem Holzbecher hin. Sie waren stets zu zweit, befahlen ihm, an die gegenüberliegende Wand zurückzuweichen, stellten ihre Last in der Nähe der Tür ab und zogen sich wieder zurück, noch bevor Rogers von seinem Platz zu ihnen hätte spurten und sich auf sie werfen können. Die einzige Chance bestand darin, sie bereits dabei zu überraschen, wenn sie die Zellentür öffneten. Aber sie taten dies nie weit genug, dass er sich daneben an die Wand hätte drücken und den Ersten von ihnen hätte packen und durch die Tür ziehen können. Er musste sie so überraschen, dass sie die Zellentür freigaben. Aber womit? Rogers stöberte mit beginnender Ratlosigkeit durch seine Zelle. Sollte er sie mit dem Stroh bewerfen, das er zusammengescharrt und ein Lager darauf gebildet hatte? Sollte er laut »Buh!« schreien, wenn sie die Tür öffneten? Ha! Und vielleicht auch noch schelten, wenn sie sich vor Schreck in die Hosen machten …? Sollte er …
    Sein Blick blieb an etwas hängen.
    So zuverlässig die Wachen mit der Essenszuteilung waren, so wenig fleißig hatten sie sich bisher gezeigt, den Eimer zu leeren, den sie Rogers für die Notdurft hingestellt hatten. Rogers hatte das unsägliche Ding in die entfernteste Ecke unter den Fensteröffnungen verbannt und während der Benutzung versucht, die Erkenntnis nicht an sich heranzulassen, dass der Eimer – ungeleert – schon für seine unglücklichen Vorgänger hier gewesen war. Was zwei Leichen mumifiziert hatte, hatte zwar auch den Inhalt des Eimers austrocknen lassen, aber dennoch …!
    Rogers’ Augen weiteten sich, als er die Idee zu Ende dachte, die ihm der Anblick des Eimers eingegeben hatte. Das Ding war nicht gedrechselt, sondern aus Dauben zusammengesetzt wie ein Fass, es war geräumig und schwer …
    … und reichlich voll.
    Wie immer, wenn man es eilig hatte, ließen diejenigen, die man zur Erfüllung seiner Vorhaben benötigte, auf sich warten. Viel später als sonst hörte

Weitere Kostenlose Bücher