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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Hermelinmuster von der Stange. Schlaff lag es in seiner behandschuhten Hand.
    »Seid Ihr überzeugt, dass Sariz nach diesem Ausbruch ihr Schweigen endlich brechen und Rogers dahin bringen wird, wo sich Ramons Trencavel versteckt hält?«, fragte Gabriel.
    Rudolf betrachtete weiterhin den Fetzen, der einmal zum Waffenrock eines unbändigen, tapferen Knaben gehört hatte, dessen Gesicht unter den Hufen von Rudolfs Streitross für immer verschwunden war. »Ich will es hoffen«, sagte er. »Sonst wäre die Mühe, die allerdümmsten Männer, die Ihr finden konntet, als Wachen hier und oben auf der Burg einzuteilen, vollkommen vergeblich gewesen.«
    Gabriel lächelte. Rudolf ballte die Hand zur Faust. Das Stück Waffenrock verschwand vollständig darin.

CONSUMMATIO
    WINTER 1252
     
    »Vollkommenheit gibt es nicht, außer in Gott.«
    Ramons Trencavel

1.
WIZINSTEN
     

     
    Die Zahlenkolonnen nahmen kein Ende. Es mochte ja sein, dass der Winter die Zeit war, die Arbeiten zu erledigen, die man das ganze Jahr über vernachlässigt hatte – aber wenn es darum ging, die Ausgaben und Einnahmen des Baus nachzurechnen, hätte Elsbeth sie gerne noch ein wenig länger vernachlässigt.
    Kosten für den über das Jahr verwendeten Kalk: neun Pfund, sechsundneunzig Pfennige …
    Schneiden und Anbringen der Rohdauben für die Wölbungen der Scheidarkaden und der Untergaden: siebzehn Pfund, einunddreißig Pfennige …
    Abrechnungen der Schmiede in Wizinsten und auf der Baustelle, insgesamt: zweiundvierzig Pfund …
    Für die Hilfsarbeiter, die die Steine vom Steinbruch zur Kirche transportierten: ein Pfund, einhundertacht Pfennige …
    Für die Verschalung des Nordflügels des Kreuzgangs: zehn Pfund, sechsundneunzig Pfennige …
    Elsbeth schüttelte den Kopf. So ging es endlos weiter. Ihre Feder kratzte in der Stille des Raumes, den die Nonnen immer noch nicht Refektorium nennen wollten. Da rechnete sie ein Vermögen zusammen, und worauf tat sie es: auf einer weiteren der halbverschimmelten Seiten aus der ehemaligen Klosterbibel!
    Für Nägel und andere Beschläge: hundertzweiundneunzig Pfennige …
    Miete für die Kammer des Baumeisters in der Herberge, zwei Vierteljahre: drei Pfund …
    Moment mal! Wilbrand hatte ab dem Spätsommer nicht mehr über der Schänke gewohnt, sondern in seiner Hütte auf der Baustelle. Aha! Da hielt sie offenbar jemand für zu faul oder zu dumm, jeden einzelnen Rechnungsposten zu überprüfen. Sie strich den Posten mit wütender Genugtuung durch, dass die Tinte spritzte und die Federspitze sich verbog. Sie warf die Feder auf den Tisch und holte sich eine neue aus dem Lederköcher; den bisherigen Kiel neu anzuspitzen fehlte ihr die Geduld. Sie wünschte sich, Wilbrand wären solche Kleinigkeiten aufgefallen; und sie wünschte sich, Godefroy wäre hier, der sie zum ersten Mal darauf aufmerksam gemacht hatte, dass Wilbrand mit seiner Arithmetik auf Kriegsfuß stand. Von da war es kein weiter Gedanke mehr, sich zu wünschen, dass Rogers …
    Sie verscheuchte die Gedanken.
    Für Seile: dreizehn Pfennige …
    Die Einnahmen sahen dagegen mager aus. Wie sie Daniel bin Daniel seinen großzügigen Kredit jemals zurückzahlen sollte, war ihr ein Rätsel. Sie musste sich eingestehen, dass ohne Hedwig, die inzwischen zwei Dutzend ständige Zuhörerinnen (und mit Wolfram Holzschuher auch einen männlichen Anhänger) besaß, so gut wie nichts in ihre Kasse geflossen wäre. Alle Pläne, schon in diesem Herbst mit dem Verkauf von Gemüse und Obst aus dem Klostergarten zu beginnen, hatten sich zerschlagen. Der Garten im Kreuzgang, ohnehin nur für die Nonnen selbst gedacht, war eine nun vom ersten Schnee bedeckte Wüstenei, um die sich niemand kümmerte, ausgenommen ein Fuchs oder streunende Hunde, die vor kurzem dort gescharrt zu haben schienen, es dann aber wieder aufgegeben hatten – eine klare Aussage, den Wert des hortus betreffend, wenn man es so auffassen wollte. Die verkrüppelten Obstbäume rund um den ehemaligen Klosterbau hatten erwartungsgemäß nichts getragen, und für vernünftige Gemüse war das Wetter zu schlecht gewesen. Letzteres war eine Klage, die man allerorten hörte. Selbst in Wizinsten waren schon die ersten Wanderbauern aufgetaucht, die ihre Pachthöfe einfach aufgegeben hatten, weil sie nicht einmal mehr die Abgaben an den Grundherrn zahlen konnten. Elsbeth war das Gemunkel nicht entgangen – dass König Konrad an der schlechten Witterung schuld war, weil er sich in Italien

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