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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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zum Heiligen wird«, murmelte sie. »Manchmal habe ich das Gefühl, dass all die bösen Taten, die Jesus Christus nie begangen hätte, unter seinen Heiligen zu finden sind.«
    »Welche Forderung hat Bischof Heinrich gestellt?«, fragte Elsbeth.
    Lucardis’ Finger fuhr weiterhin am Rand der Flammen entlang. »Er verlangt, dass Hedwig aus dem Kloster verstoßen wird.«
    »Was!?«
    Lucardis zuckte unglücklich mit den Schultern.
    »Wenn das Kloster ihr keinen Schutz mehr bietet, dann …«, sagte Elsbeth.
    Lucardis nickte. »Aber hier kann sie auch nicht bleiben. Ich habe bereits überlegt, mit einem anderen Kloster unseres Ordens Kontakt aufzunehmen, aber ich bin nicht gerade froh über den Gedanken, Hedwig allein hier fortzuschicken.«
    Elsbeth holte Luft. Sie hatte sich die ganze Zeit über gefragt, wie sie ihrer Schwester ihren Plan beibringen sollte. Und nun eröffnete sich von selbst eine Möglichkeit. Sie hatte das Gefühl, als sähe sie den Reiter lächeln und höre ihn flüstern: Dies ist deine Chance. Mach etwas daraus .
    »Ich muss dir jemanden vorstellen«, sagte Elsbeth heiser. »Jemand, der nach dem Christfest in den Verrücktentrakt eingeliefert worden ist.« Jemand, dem ich die ganzen Wochen über sehr genau zugehört habe , fügte sie in Gedanken hinzu.
    Das Haar der Kranken war weiß, und ihre Augen waren weit und blinzelten so selten, dass einem die eigenen Augen unwillkürlich tränten, wenn man sie lange genug ansah. Sprach man sie an, redete sie langsam und von weither und mit quälenden Pausen. Niemand hatte ihren Namen aus ihr herausbekommen. Sicher schien nur, dass sie nicht aus Papinberc stammte. Die Stadtwachen hatten sie auf der Brücke aufgegriffen, wo sie im Schneematsch gesessen, düstere Reden geführt und den Vorübergehenden Pferdeäpfel hinterhergeworfen hatte. Elsbeth nahm an, dass ihre Familie sie ausgesetzt hatte, so wie man einen ungewollten Bastard aussetzte und sich darauf verließ, dass Gott sich schon darum kümmern würde.
    »Wo soll das sein? Wizinsten?«, fragte Lucardis.
    »Alles spricht dafür, dass sie von dort stammt. Ich habe mich erkundigt. Es ist eine kleine, unbedeutende Stadt im Steygerewalt, aber sie liegt an der einzigen größeren Straße, die durch das Gebiet führt, und bekommt daher einen anständigen Teil des Fernhandels ab. Von Papinberc nach Wizinsten ist es eine Tagesreise bei gutem Wetter und drei bei schlechtem – das Land besteht hauptsächlich aus Berg, Tal und Wald. Kloster Ebra ist nicht weit entfernt, aber die Stadt selbst gehört aufgrund irgendeiner alten Schenkung von Kaiser Heinrich zum Burggrafenamt von Nuorenberc …«
    Elsbeth verstummte. Sie hatte noch anfügen wollen, dass die einzige Kirche Wizinstens dem heiligen Mauritius geweiht war und dass die Informationen, die sie mühselig zusammengetragen hatte, weder vom Stadtrat noch aus der Bistumskanzlei stammten, sondern hauptsächlich von der Papinbercer Judengemeinde. Wizinsten schien für die Stadt Papinberc und für das Bistum von so geringem Interesse, dass man den Ort nicht einmal kannte. Lucardis musterte ihre jüngere Schwester, und Elsbeth senkte den Kopf.
    »Ich brauche wohl nicht zu fragen, warum du so gut Bescheid weißt«, sagte Lucardis.
    »Nun, ich habe Daniel bin Daniel gefragt, du weißt schon, den jüdischen Kaufmann, der uns immer die orientalischen Heilkräuter liefert, und …«
    »Elsbeth – was hast du eigentlich vor?«
    Elsbeth holte tief Luft. Sie setzte sich neben die verwirrte alte Frau und nahm ihre Hand. Die Frau begann rau zu summen und den Oberkörper vor und zurück zu wiegen. »Erzähl mir von den Mönchen«, sagte Elsbeth sanft. Die Frau zuckte zusammen. Ihr Mund begann stumm zu arbeiten. Das Pendeln ihres Oberkörpers wurde schneller. »Erzähl mir von den Mönchen.«
    Lucardis musterte abwechselnd die Kranke und ihre Schwester. Elsbeth streichelte die Hand der Frau.
    »Erzähl mir von den Mönchen.«
    »Die Mönche …«
    »Erzähl mir von ihnen. Erzähl uns von ihnen.«
    »Die … Mönche …«
    Lucardis beugte sich nach vorn. »Elsbeth, was soll das?«
    »Lass mich nur. Ich bin zufällig daraufgekommen, als ich versucht habe, aus ihr herauszubringen, woher sie stammt.«
    »Daraufgekommen!?«
    »Die … Mönche …«
    »Das meiste davon ist reiner Unsinn. Was immer hier zusammenkommt … alte Kindergeschichten, irgendwelche Märchen, die sich die Frauen im Winter beim Spinnen in der Stube erzählen … es hat in ihrer Seele einen Knoten

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