Die Pforten der Ewigkeit
finden war. Die Besatzung auf der Mauerkrone wurde zwischen den Flankentürmen des Tors zusammengezogen und versuchte, mit weiteren Pfeilen, Steinwürfen und schlecht gezielten Güssen aus Latrineneimern und Kesseln mit kochendem Wasser etwas gegen die Angreifer zu unternehmen. Graf Ramons lehnte sich erregt nach vorn.
»Sie entblößen die Mauerkrone genau dort, wo Ihr es vorausgesagt habt!«, rief Guilhabert de Castres, der nun Graf Ramons’ bester Verbündeter war. Guilhabert war mit Ramons und seiner Familie ins Exil nach Aragonien gegangen und hatte in den Monaten vor dem Angriff auf Carcazona geholfen, ein Heer aufzustellen. Er wandte sich um und streckte schon die Hand aus, um jemandem auf die Schulter zu schlagen, dann verlosch sein Grinsen. Offenbar konnte er sich noch immer nicht daran gewöhnen, dass der Platz an Graf Ramons’ anderer Seite, den früher Guilhelm de Soler innegehabt hatte, nun leer war. Guilhelm aber war nicht mehr. Jemand hatte ihn vor zwei Jahren an den Inquisitor des Papstes in Tolosa verraten. Giulhelm, so hieß es, war unter der Folter mit halb ausgerissenen Gliedmaßen gestorben.
Guilhabert de Castres lehnte sich hinaus und brüllte Befehle über das Schlachtfeld, doch der Sergeant der Kompanie mit den Sturmleitern hatte erkannt, was geschehen war, und seine Männer bereits am Fuß des Mauerstücks in Stellung gebracht, das von den Verteidigern verlassen worden war.
»Ich sehe nichts!«, piepste Jung-Ramons wütend und versuchte die Männer beiseitezustoßen, die sich an der Brüstung zusammendrängten. »Was ist los?«
»Sie haben einen Fehler gemacht!«, rief Guilhabert, der sich halb umdrehte und sein Grinsen wiedergefunden hatte. »Am Abend gehört die Stadt wieder Eurem Vater!« Er trat beiseite und ließ Jung-Ramons vor. Doch als er ihn unter den Achseln packte, um ihn hochzuheben, wehrte sich der Kleine aufgebracht. Rogers rollte mit den Augen. Guilhabert stellte Jung-Ramons wieder ab und zuckte mit den Schultern. Er trat noch einen Schritt zurück und winkte auch Rogers heran.
Von der Porta Narbona hallte das Dröhnen herüber, mit dem die Ramme auf die Tore traf. Das Ungetüm sah nun aus wie ein gigantischer Igel, gespickt mit Pfeilen und Lanzen, das kochende Wasser aus den Moosballen dampfend, der Kot aus den Latrineneimern von den Schindeln tropfend. Die Aufmerksamkeit der Männer richtete sich auf das Stadttor. Anfeuerungsrufe wurden laut. Unten hatten sich Bogenschützen zu den beweglichen Schutzwänden vorgearbeitet, die von den vorrückenden Fußsoldaten zurückgelassen worden waren, und bearbeiteten die Verteidiger unter der Hürde ihrerseits mit Pfeilhageln. Rogers beobachtete das verloren wirkende Häuflein Männer am Fuß der Mauer, die die Sturmleitern in Stellung brachten. Plötzlich spürte er die Hand seines Vaters. Sie krallte sich um seinen Oberarm.
Um einen der Mauertürme herum näherten sich Reiter den Männern mit den Sturmleitern. Es waren mindestens zwei Dutzend … aber nein, dann kamen weitere in Sicht … es waren mindestens zweihundert! Über den Reitern flatterten Banner und Fahnen, eine davon größer als alle anderen, leuchtend rot im aufspritzenden Schlamm.
»Er!«, keuchte Graf Ramons. »Ich hätte es wissen müssen!«
Die eiserne Phalanx der angreifenden Ritter war heran, noch bevor jemand reagieren konnte. Die ersten Soldaten wurden einfach niedergeritten. Bruchstücke von Sturmleitern flogen durch die Luft. Der Sergeant erkannte, worin das einzige Heil seiner Männer lag, und jagte sie die Leitern hinauf. Eine Handvoll der Ritter schwenkte aus und galoppierte am Fuß der Mauer entlang. Einer verschwand vom Rücken seines Pferdes, während die bunten Farben seines Waffenrocks ein letztes Mal aufblinkten, aber die anderen rasten weiter. Sie wirbelten Taue über ihren behelmten Köpfen, Taue, an deren Enden dreikrallige Haken hingen. Die Haken fingen sich in den Leitern, die Vorwärtsbewegung zerrte die Leiterfüße aus dem Matsch, und eine nach der anderen rutschte ab und stürzte um, die Männer darauf fielen hilflos herunter und gerieten sofort unter die Hufe der nachfolgenden Reiter. Innerhalb weniger Herzschläge verwandelte sich der Angriff auf die Stadt in ein Desaster. Die Soldaten ließen die Ramme im Stich und flohen über das Schlachtfeld zurück zu den Bogenschützen, doch auch über sie raste die Kavalkade aus zweihundert gepanzerten Streitrössern hinweg.
Graf Ramons hatte seine eigene Reiterei zurückgehalten, bis die
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