Die Pforten Des Hades
finden konntest. Er hat sie aus diesem Raum in sein Zimmer geschafft, wo er sie in Ruhe studieren und nach Hinweisen auf die Identität des Mörders forschen konnte.«
»Schon möglich. Aber wie erklärst du dir das hier?« Er wies auf die blutbefleckte Schriftrolle.
»Lucius muß sie gerade eingesehen haben, als er ermordet wurde. Sie muß offen auf diesem Tisch hier gelegen haben.«
»Und der Mörder, der so umsichtig war, Lucius Leiche ins Atrium zu schleifen, ließ das Dokument zurück, damit es Dionysius bei seinem nächsten Besuch in der Bibliothek entdecken konnte? Es scheint mir naheliegender, daß der Mörder es eher vernichtet hätte, als es zurückzulassen, damit Dionysius es beiseite schaffen konnte. Das wiederum würde nahelegen, daß das Dokument nichts mit dem Mord zu tun hat.«
Crassus starrte mich grimmig an und verzog seinen Mund dann langsam zu einem Lächeln, als er sah, daß ich darauf keine Antwort wußte. Er schüttelte den Kopf und lachte leise. »Eins muß ich dir lassen, Gordianus - du bist hartnäckig! Und wenn du dich dann besser fühlst, will ich gerne zugeben, daß ich mit dem, was wir über die Umstände von Lucius Tod wissen, nicht völlig zufrieden bin. Nach den Indizien, die du im Wasser gefunden hast, und dem, was aus diesen Unterlagen hervorgeht, hat es den Anschein, daß mein lieber, törichter, vermaledeiter Vetter in einen Waffenschmuggel verwickelt war - ja, möglicherweise sogar an Spartacus. Doch das schwächt nur deine Position und stärkt meine.«
»So sehe ich das nicht, Marcus Crassus.«
»Nicht? Als er die Nachricht erhielt, daß ich kurzfristig und unangemeldet hier eintreffen würde, geriet Lucius in Panik und versuchte, den Kontakt zu Spartacus Unterhändlern, den Kunden für dieses Waffenlager, abzubrechen. Als diese erkannten, daß sie von Lucius nichts mehr bekommen würden, nahmen sie blutige Rache. Wer aber hätten diese Verbrecher, diese Agenten Spartacus, sein können? Wer außer Zeno und dem Thraker Alexandros, die nichts anderes als spartacistische Spione in diesem Haus waren. Ja, ich sehe es jetzt ganz deutlich - hör mich zu Ende an, Gordianus!
In der Todesnacht kam es hier in der Bibliothek zu einer Auseinandersetzung. Zeno, der seinem Herrn geholfen hatte, die Bücher zu führen, zog diverse Dokumente hervor, die Lucius Perfidie entlarvt hätten, und drohte ihm, ihn zu verraten, wenn er nicht weiterhin Waffen an Spartacus liefern würde. Doch nicht einmal dieser Erpressungsversuch konnte Lucius umstimmen; er hatte beschlossen, seine Verbindung mit den Spartacisten abzubrechen, und ließ sich nicht einschüchtern. Also ermordeten Zeno und Alexandros ihn mit der Statue, genau wie du gesagt hast. Um seinen Tod öffentlicher zu machen, schleiften sie seine Leiche ins Atrium und begannen, den Namen ihres Herrn, Spartacus, in den Stein zu kratzen.
Doch der Zufall wollte es, daß Dionysius in jener Nacht lange wach lag und grübelte, worüber zweitklassige Philosophen mitten in der Nacht eben so grübeln. Dann wollte er irgendeine Schriftrolle aus Lucius Bibliothek holen. Er muß ein Geräusch gemacht haben, das die Mörder störte und flüchten ließ, bevor sie den ganzen Namen ihres Generals zu Ende schreiben konnten. Dionysius betritt die Bibliothek und findet das blutige Schriftstück. Er geht ins Atrium und entdeckt die Leiche. Anstatt jedoch Alarm zu schlagen, entwickelt er einen Plan, seine eigene Karriere zu fordern. Er weiß, daß ich am nächsten Tag eintreffen werde; ohne Lucius steht er ohne Gönner da, wenn es ihm jedoch irgendwie gelänge, sich an mich zu hängen, würde die Sache sich zu seinem Nutzen wenden lassen. Er glaubt, mich beeindrucken zu können, indem er den Mord aufklärt. Er studiert das blutbefleckte Dokument, begreift seine Bedeutung und sieht daraufhin auch die anderen Unterlagen auf ähnlich belastende Beweise hin durch. Er nimmt sie mit auf sein Zimmer, um sie ungestört entziffern und deuten zu können.«
»Aber warum hat er dir all das nicht früher berichtet?« wandte ich ein.
»Vielleicht hatte er vor, sein Wissen bei den Bestattungsspielen morgen zu offenbaren, weil er glaubte, seine Eloquenz könne es mit dem blutigen Drama in der Arena aufnehmen. Vielleicht war er auch noch nicht ganz zufrieden, weil irgendwelche Indizien nicht ganz zusammenpaßten; schließlich wollte er seinen Auftritt so eindrücklich wie möglich gestalten. Oder -«
Crassus Augen leuchteten auf. »Ja!« rief er. »Das ist es. Dionysius war
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