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Die Pforten Des Hades

Die Pforten Des Hades

Titel: Die Pforten Des Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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ich erwartet hatte, körperlich durchaus mit ihr aufnehmen; es war unwahrscheinlich, daß sich eine schöne junge Frau von ihrem Talent und Urteilsvermögen in einen thrakischen Stallknecht verliebt hätte, der nicht breitschultrig und gutaussehend war. Seine zerzauste Mähne glänzte rotbraun im trüben Licht, genau wie seine Brust und seine Gliedmaßen. Er hatte markante Gesichtszüge mit vollen Lippen und buschigen Augenbrauen, die über seinen feurigen Augen zu einer Linie zusammengewachsen waren; sein karger Dreitagebart unterstrich seine hohen Wangenknochen und das ausgeprägte Kinn. Selbst seine rapide erschlaffende Erektion sah noch immer beachtlich aus. Er war nicht so schön wie Apollonius, doch ich konnte verstehen, warum Olympias ihn gewählt hatte. Neben Muskeln mußte er auch über Verstand verfügen, wenn Zeno ihn bei der Buchführung hatte helfen lassen, doch wie er sich jetzt den Kopf rieb und unbeholfen nach dem Dolch in Olympias Hand tastete, wirkte er recht einfältig und beschränkt.
    »Steck die Waffe weg«, sagte ich kraftlos. »Ich bin nicht gekommen, euch zu verletzen.«
    Sie starrten mich aus aufgerissenen Augen und voller Zweifel an, bis Olympias Blick schließlich weicher wurde. Erst jetzt hatte sie mich erkannt. Ich frage mich, wie ich ausgesehen haben muß, von Seetang bedeckt und voller Blut, das mir aus der offenen Wunde ins Gesicht sickerte. Alexandros stierte mich an, als ob ich ein Seeungeheuer wäre, und vielleicht glaubte er das ja tatsächlich.
    »Warte«, flüsterte Olympias und legte ihre Hand auf Alexandros Arm. »Ich kenne ihn.«
    »Ja? Wer ist es?« Er sprach mit einem schweren thrakischen Akzent, und seine Stimme hatte einen so wilden und verzweifelten Unterton, daß ich unter meiner Tunika verstohlen nach meinem Dolch tastete.
    »Der Sucher«, sagte sie. »Aus Rom - der Mann, von dem ich dir erzählt habe.«
    »Dann hat er mich ja endlich gefunden.« Er riß sich los. Die lange Klinge durchschnitt einen blassen Sonnenstrahl und glänzte wie Quecksilber. Er wich bis an die Wand der Höhle zurück und starrte mich an wie ein in die Enge getriebenes Tier.
    »Ist es so, Gordianus?« Olympias beäugte mich mißtrauisch. »Bist du gekommen, um ihn zu Crassus zu bringen?«
    »Steck das Messer weg«, flüsterte ich und begann unkontrolliert zu zittern. »Könnt ihr ein Feuer machen? Mir ist auf einmal sehr kalt, und ich fühle mich ein wenig schwach.«
    Olympias sah mich einen Moment lang an und traf dann ihre Entscheidung. Sie griff nach ihrem wollenen Gewand und zog es über ihren Kopf, bevor sie auf mich zutrat und den Saum meiner Tunika befühlte. »Zuerst mußt du das hier ausziehen, sonst stirbst du noch sicherer vor Kälte als durch diesen Dolch. Feuer machen geht leider nicht - wir dürfen nicht riskieren, daß jemand den Rauch sieht-, aber wir können dich warm einwickeln. Alexandros, du zitterst ja auch! Steck das Messer weg und zieh dir was an!«
    Auf den ersten Blick war mir die Höhle riesig vorgekommen, so als ob sie sich wie die Sibyllinische Grotte bis ins Unendliche erstrecken würde. Ganz so groß war sie nicht, doch sie wölbte sich zu einer beträchtlichen Höhe und war im steilen Winkel zum Meeresspiegel in den Stein geschlagen, so daß der Felsboden terrassenförmig angelegt war. Hier und da waren in kleinen Nischen Alexandros bescheidene Bequemlichkeiten versteckt - dreckige Decken, Essensreste, Besteck und Geschirr, Krüge mit frischem Wasser und ein voller Weinschlauch. Olympias führte mich auf eine der höhergelegenen Terrassen und wickelte mich in eine Wolldecke. Als mein Zittern nachließ, bot sie mir Brot- und Käsereste an und sogar ein paar Köstlichkeiten, die offenbar vom Leichenschmaus stammten; sie mußte sie bei Tisch stibitzt und Alexandros als besondere Freude mitgebracht haben. Ich wehrte ab und behauptete, nicht hungrig zu sein, doch nachdem ich erst einmal angefangen hatte, konnte ich kaum wieder aufhören zu essen.
    Bald fühlte ich mich besser, obwohl mein Kopf noch immer von einem stechenden Schmerz durchbohrt wurde, wenn ich ihn zu heftig bewegte. »Wie lange dauert es, bis die Öffnung der Höhle wieder passierbar wird? Ohne sich ernsthaft der Gefahr des Ertrinkens auszusetzen, meine ich?«
    Alexandros blickte zum Eingang der Höhle, wo die gischtige Flut bereits abzuebben schien. »Es dauert jetzt nicht mehr lange. Der Strand wird erst in ein paar Stunden völlig trocken sein, doch wenn man durchs Wasser watet, kann man den Pfad

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