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Die Pforten Des Hades

Die Pforten Des Hades

Titel: Die Pforten Des Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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Was, wenn du ihn Crassus gleich ausgeliefert hättest? Hätte der dann auch jenen teuflischen Plan ausgeheckt, Lucius Licinius auf so grausame Weise zu rächen? Empfindest du keinerlei Schuld über das, was du getan hast, deinen Liebhaber zu verstecken und die anderen Sklaven sterben zu lassen? Die alten Männer und Frauen, die Kinder -«
    »Aber Alexandros ist unschuldig! Er hat in seinem ganzen Leben noch niemanden getötet!«
    »Das sagst du; vielleicht hat er es dir so erzählt. Aber woher willst du das wissen, Olympias? Was weißt du?«
    Sie wich zurück und holte tief Luft. Die Liebenden tauschten einen merkwürdigen Blick aus. »Du weißt genauso gut wie ich, daß es ohne Belang ist, ob Alexandros unschuldig ist«, sagte sie. »Schuldig oder nicht, Crassus wird ihn kreuzigen lassen, wenn er gefaßt wird.«
    »Nicht, wenn ich seine Unschuld beweisen könnte. Wenn ich aufdecken könnte, wer Lucius Licinius wirklich getötet hat, wenn ich es beweisen könnte -«
    »In diesem Fall - ganz besonders in diesem Fall - würde Crassus Alexandros garantiert hinrichten lassen. Und dich mit ihm.«
    Ich schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht, als ein pochender Schmerz hinter meiner Stirn aufzuckte. »Du sprichst in Rätseln wie die Sibylle.«
    Olympias blickte zur Öffnung der Höhle, wo sich das Licht von draußen in der Gischt widerspiegelte. »Die Flut ist weit genug abgeebbt«, sagte sie. »Ich denke, wir sollten jetzt gemeinsam zu Iaias Haus hochgehen und alles mit ihr besprechen.«
    DREIUNDZWANZIG
    Iaia machte ein großes Gewese um meine Verletzung. Sie bestand darauf, einen Sud aus übelriechenden Kräutern aufzukochen, den sie auf die Wunde schmierte, bevor sie meinen Kopf mit einem langen Stück Leinen verband. Außerdem gab sie mir eine bernsteinfarbene Lösung zu trinken, die ich eingedenk Dionysius traurigem Schicksal nur mit Bangigkeit an die Lippen führte.
    »Du scheinst ja eine Menge über Kräuter und ihre Anwendung zu wissen«, sagte ich, an dem aus dem Becher steigenden Dampf schnuppernd.
    »Ja, so ist es«, sagte sie. »Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, meine eigenen Farben herzustellen - die richtigen Pflanzen zur richtigen Jahreszeit zu ernten und weiterzuverarbeiten -, dabei habe ich mir nicht nur einiges Wissen darüber angeeignet, welche Wurzeln ein strahlendes Blau ergeben, sondern auch, mit welchen Pflanzen man eine Warze heilen kann.«
    »Oder einen Mann töten?« wagte ich zu bemerken.
    Sie lächelte dünn. »Schon möglich. Das Gebräu, das du gerade trinkst, könnte einen Mann auch töten. Allerdings nicht in der Konzentration, die ich für dich angerührt habe«, fügte sie hinzu. »Es ist in der Hauptsache ein Extrakt aus Weidenrinde versetzt mit einem Hauch jener Substanz, die Homer Nepenthes den Trank des Vergessens nennt, hergestellt aus ägyptischem Mohn. Es wird deine Kopfschmerzen lindern. Trink aus.«
    »Der Dichter sagt, Nepenthes läßt einen die Trauer vergessen.« Ich blickte in den Becher und suchte in den sich kräuselnden Dämpfen einen Widerschein des Todes.
    Iaia nickte. »Deswegen hat die Königin von Ägypten es auch Helena gegeben als Arznei gegen ihre Melancholie.«
    »Homer sagt auch, daß es einen vergessen läßt. Iaia, doch ich möchte das, was ich gesehen und erfahren habe, nicht vergessen.«
    »Die Dosis, die ich für dich bereitet habe, wird dich nicht ins Land der Traume schicken, sondern das Pochen in deinem Kopf lindern.« Als ich noch immer zögerte, schüttelte sie enttäuscht den Kopf. »Also wirklich, Gordianus, wenn wir dir Schaden hätten zufügen wollen, hätte dich Alexandros problemlos in der Meereshöhle oder auf dem steilen Pfad entlang der Küste erledigen können. Und ich vermute, daß wir es selbst jetzt noch irgendwie schaffen würden, dich von der Terrasse auf die Felsen zu stürzen, wenn wir dazu entschlossen wären; du würdest ins offene Meer hinausgetrieben und für immer verschwinden.« Sie sah mich eindringlich an. »Ich habe Vertrauen zu dir gewonnen, Gordianus. Ich gebe zu, zunächst habe ich dir mißtraut, aber jetzt nicht mehr. Willst du nicht auch mir vertrauen?«
    Ich blickte ihr in die Augen. Sie saß steif und aufrecht auf einem Stuhl ohne Rückenlehne, gewandet in eine bauschige gelbe Stola. Die Sonne war noch nicht über das Dach gestiegen, so daß die Terrasse im Schatten lag. Tief unter uns, jenseits der Brüstung, brandete das Meer gegen die felsige Küste. Olympias und Alexandros saßen abseits und beobachteten uns,

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