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Die Pforten Des Hades

Die Pforten Des Hades

Titel: Die Pforten Des Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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als wären wir zwei in einen Kampf verstrickte Gladiatoren.
    Ich führte den Becher erneut an die Lippen, setzte ihn jedoch unberührt wieder ab. Iaia seufzte. »Wenn du es trinken würdest, würden deine Schmerzen verschwinden. Du wirst mir dankbar sein.«
    »Auch Dionysius ist jenseits aller Schmerzen, doch ich wage zu bezweifeln, daß er sich besonders dankbar zeigen würde, wenn er jetzt bei uns sein könnte.«
    Ihre Stirn verfinsterte sich. »Was deutest du da an, Gordianus?«
    »Du sagst, daß du mir vertraust, Iaia. Dann kannst du zumindest zugeben, was ich ohnehin schon weiß. An dem Tag, als ich die Sibylle besucht habe, sah ich, wie Dionysius Olympias heimlich folgte. Ich vermute, daß er von der Meereshöhle wußte oder ihre Existenz zumindest vermutete; deswegen wollte er unbedingt die Geschichte von Crassus Versteck in Spanien erzählen. Ich habe gesehen, wie du und Olympias an
    jenem Abend reagiert habt. Dionysius war kurz davor, euer Geheimnis zu enthüllen. Am nächsten Tag wurde ihm während des Leichenschmauses ein Becher mit Gift verabreicht. Sag mir, Iaia, hast du Eisenhut verwendet? Das war zumindest meine Vermutung.«
    Sie zuckte die Schultern. »Was waren die genauen Symptome?«
    »Seine Zunge brannte. Er begann zu würgen und zu zucken, dann hat er sich übergeben und konnte den Darm nicht mehr halten. Es ging alles ganz schnell.«
    Sie nickte. »Ich würde sagen, das ist eine exzellente Vermutung. Doch ich kann sie dir nicht mit Sicherheit bestätigen. Ich habe das Gift nicht in den Becher getan, genausowenig wie Olympias.«
    »Wer sonst?«
    »Woher soll ich das wissen? Ich bin nicht die Sibylle -«
    »Nur das Gefäß und die Stimme der Sibylle.«
    Sie schürzte die Lippen und saugte an ihren Zähnen. Ihr Gesicht wirkte auf einmal ausgezehrt, und sie sah so alt aus, wie sie wirklich war. »Manchmal, Gordianus, manchmal. Willst du die Geheimnisse, die sich hinter der Sibylle verbergen, wirklich ergründen? Es ist für jeden Mann gefährlich, sie zu kennen. Denk an den törichten Pentheus, der von den Bacchen zerrissen wurde. Es gibt bestimmte Mysterien, die nur Frauen wirklich begreifen können; für einen Mann ist dieses Wissen meist reichlich nutzlos und manchmal sehr gefährlich.«
    »Wäre ich weniger gefährdet, wenn ich nichts wüßte? Wenn sich nicht ein guter Gott dazu herabläßt, hilfreich einzugreifen, wage ich zu bezweifeln, daß ich je lebend nach Rom zurückkehre.«
    »Du bist stur«, meinte Iaia kopfschüttelnd. »Sehr stur. Ich sehe, daß du keine Ruhe geben wirst, bis du alles weißt.«
    »Es liegt in meiner Natur, Iaia. So haben mich die Götter gemacht.«
    »Das sehe ich. Womit sollen wir anfangen?«
    »Mit einer ganz einfachen Frage. Bist du die Sibylle?«
    Sie verzog leidend das Gesicht. »Ich werde versuchen, dir diese Frage zu beantworten, obwohl ich bezweifle, daß du es verstehen wirst. Nein, ich bin nicht die Sibylle. Das ist keine Frau. Aber es gibt Frauen unter uns, in denen sich die Sibylle manchmal manifestiert, so wie sich der Gott durch die Sibylle manifestiert. Wir sind ein kleiner Kreis von Initiierten. Wir erhalten den Tempel, versorgen das heilige Feuer, erforschen die Mysterien und geben sie weiter. Gelina ist eine von uns. Sie steht mir näher, als du wissen kannst, doch sie ist zu sensibel, um selbst als Gefäß der Sibylle zu dienen. Auch Olympias ist initiiert. Jetzt ist sie noch zu jung, als daß die Sibylle durch sie sprechen könnte, aber die Zeit wird kommen. Neben mir gibt es noch andere Frauen, die als göttliche Gefäße dienen; manche leben hier in Cumae, andere an so entfernten Orten wie Puteoli, Neapolis und an der gegenüberliegenden Golfküste. Die meisten sind Nachfahren griechischer Familien, die hier schon siedelten, lange bevor Aneas seinen Fuß auf dieses Land setzte; ihr Wissen um diese Dinge wird von Generation zu Generation weitervererbt.«
    »Ich will nicht abstreiten, Iaia, daß eine Begegnung mit der Sibylle ein höchst wundersames Erlebnis ist, ganz gleich wessen Gestalt sie annimmt. Ich frage mich beispielsweise, was du über dem Feuer verbrannt hast, bevor du uns in die Sibyllinische Grotte geführt hast. Ist es möglich, daß der Rauch eine Wirkung auf meine Sinne hatte?«
    Iaia lächelte knapp. »Dir entgeht kaum etwas, Gordianus. Es ist wahr, bestimmte Kräuter und Wurzeln sind, auf bestimmte Weise angewendet, dem tiefergehenden Verständnis der sibyllinischen Gegenwart förderlich. Die Anwendung dieser Kräuter ist Teil des

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