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Die Pforten Des Hades

Die Pforten Des Hades

Titel: Die Pforten Des Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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allerdings war sie in jenem Augenblick von Furcht und Überraschung beherrscht gewesen, was ihr normales Urteilsvermögen beeinträchtigt haben konnte. Die öffentlichen Zuneigungsbekundungen und die Zärtlichkeit, mit der sie Alexandros in Iaias und meiner Gegenwart behandelte, beeindruckten mich noch mehr. Ich bewunderte ihre hingebungsvolle Liebe und empfand gleichzeitig Mitleid für ihre hoffnungslose Lage; wie sollte eine Liebe, die unter einem derart ungünstigen Stern stand, anders enden als in Kummer und Leid?
    »In jener Nacht«, begann Alexandros, und die Eindringlichkeit, mit der er sprach, ließ seinen starken thrakischen Akzent vergessen, »wußten wir schon, daß Crassus auf dem Weg zur Villa war. Ich hatte ihn noch nie gesehen, ich war neu im Haus, aber ich hatte natürlich von ihm gehört. Der alte Zeno hatte mir erzählt, daß es ein unerwarteter und kurzfristiger Besuch war, der unseren Herrn unvorbereitet traf, so daß er sehr nervös und sehr unglücklich war.«
    »Wußtest du, warum Lucius unglücklich war?«
    »Es ging um irgendwelche Unregelmäßigkeiten in den Büchern. Ich habe das Ganze nicht wirklich begriffen.«
    »Obwohl du Zeno manchmal bei der Buchführung geholfen hast?«
    Er zuckte die Schultern. »Ich kann Summen bilden und die richtigen Zeichen machen, doch ich wußte fast nie, was ich da addierte. Aber Zeno wußte es oder glaubte, es zu wissen. Er sagte, der Herr wäre in ein sehr geheimes Geschäft verwickelt, irgendetwas sehr Schlimmes. Zeno sagte, der Herr hätte etwas hinter Crassus Rücken getan, worüber Crassus sehr böse sein würde. An jenem Nachmittag saßen wir alle in der Bibliothek und sind fleißig die Bücher durchgegangen. Schließlich hat mich der Herr hinausgeschickt; ich wußte, daß er Zeno etwas sagen wollte, was ich nicht mithören sollte. Im Stall fragte ich Zeno, was los war, doch er brütete nur vor sich hin und wollte nichts sagen. Es wurde schon dunkel. Ich aß und half den anderen Stallknechten, die Pferde zu versorgen. Irgendwann bin ich dann schlafen gegangen.«
    Im Stall...
    »Ja?«
    »Hast du normalerweise im Stall geschlafen?«
    Olympias räusperte sich. »Alexandros hat normalerweise in meinem Zimmer geschlafen«, sagte sie, »neben Iaias im Haus. Aber in jener Nacht waren Iaia und ich in Cumae.«
    »Ich verstehe. Sprich weiter, Alexandros; du hattest dich also im Stall schlafen gelegt.«
    »Ja, und dann hat Zeno mich geweckt. Er trug eine Lampe bei sich, die er mir direkt ins Gesicht gehalten hat. Ich protestierte, es könne noch nicht Morgen sein; und er sagte, es wäre tiefe Nacht. Ich fragte ihn, was er wolle. Er sagte, ein Mann sei aus dem Nichts aufgetaucht, hätte sein Pferd vor der Pforte festgemacht und sei dann gegangen, um sich mit dem Herrn zu treffen. Er sagte, sie wären beide in der Bibliothek, wo sie bei geschlossener Tür miteinander redeten.«
    »Ach ja? Und wer war dieser Besucher?«
    Alexandros sagte: »Ich habe ihn selbst nicht gesehen, nicht wirklich. Das ist ja das Seltsame, weißt du. Aber Zeno hat gesagt ... der arme Zeno...« Er runzelte seine buschigen Augenbrauen und starrte, für einen Moment in der Erinnerung gefangen, brütend ins Nichts.
    »Ja«, sagte ich, »weiter. Was hat Zeno gesagt? Warum bist du geflohen?«
    »Zeno sagte, er wäre in der Bibliothek gewesen. Er hatte leise an die Tür geklopft und geglaubt, seinen Namen gehört zu haben, also war er eingetreten. Vielleicht hatte er seinen Namen auch gar nicht gehört, oder der Herr hatte ihn wieder fortgeschickt; typisch Zeno, er hatte die Angewohnheit einzutreten, auch wenn er unerwünscht war, nur um mitzukriegen, was los war. Er sagte, der Herr wäre herumgefahren und hätte ihm gesagt, er solle verschwinden - zuerst hätte er gebrüllt, dann hätte er seine Stimme rasch gesenkt und ihn flüsternd verflucht.«
    »Und der Besucher?«
    »Der stand mit dem Rücken zur Tür vor den Regalen und sah einige Schriftrollen durch. Zeno hatte sein Gesicht nicht gesehen, doch er sah, daß der Besucher eine Uniform trug, und er sah den Umhang, den der Mann über einen der Stühle geworfen hatte.«
    »Den Umhang«, sagte ich.
    »Ja, ein schlichter dunkler Umhang - aber an einer Ecke hatte er ein Emblem, ein wie eine Brosche auf den Stoff gesticktes Siegel. Zeno hatte es schon oft gesehen; er sagt, er hätte es überall wiedererkannt.«
    »Ja?«
    »Es war das Siegel von Crassus.«
    »Nein«, sagte ich, meinen Kopfschüttelnd. Ein pulsierender Schmerz zuckte durch meinen

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