Die Pforten Des Hades
Dionysius gegenüber von Gelina; Marcus Mummius, Faustus Fabius und Sergius Orata hatten zu ihrer Rechten Platz genommen, während Eco und ich zusammen mit dem Schauspieler Metrobius links von ihr saßen. Gelina stellte uns ohne weitere Erklärung als Gordianus aus Rom mit seinem Sohn Eco vor. An den Mienen der anderen Gäste erkannte ich, daß sie bereits eine vage Vorstellung vom Zweck meiner Anwesenheit hatten. In ihren Blicken las ich Skepsis, Argwohn und Desinteresse in unterschiedlich starken Ausprägungen.
Iaia trug eine augenfällige pechschwarze Stola, silbernen Schmuck und hatte ihr volles, tiefrotes, garantiert gefärbtes Haar aufwendig hochfrisiert. Man sah, daß sie in ihrer Blüte eine große Schönheit gewesen sein mußte. Jetzt strahlte sie die sanfte und selbstbewußte Aura einer Frau aus, die wußte, daß sie zwar ihre Schönheit verloren, sich jedoch ihren Charme bewahrt hatte. Auf ihre hohen Wangenknochen hatte sie großzügig Rouge aufgetragen, und ihre Augenbrauen waren gezupft und mit einem Stift nachgezogen.
Während mich Iaia mit kühlen Blicken musterte, starrte mich ihre junge Assistentin, eine strahlend schöne Blondine, offen an, als wäre meine bloße Anwesenheit eine Art Affront. Olympias konnte es sich leisten, achtlos mit ihrer Schönheit umzugehen; im Licht der Lampen glänzte ihre wallende Mähne silbern und gold, ihre Augen waren von einem dunklen, fast violetten Blau, welches auch die geringste Spur von Schminke, hätte sie sich die Mühe gemacht, welche aufzulegen, auf ihrem Gesicht blaß und billig hätte wirken lassen. Ihre ärmellose dunkelblaue Toga war absolut schlicht, noch schlichter sogar als die Tuniken, die Eco und ich trugen, ohne jede Verzierung oder Borte. Sie trug keinen Schmuck. Ich bemerkte das Pigment an ihren Fingern und ein paar winzige Farbkleckse am Saum ihres Gewands.
Dionysius, ein hagerer Mann mit grauem Bart und hochnäsiger Miene, warf mir verstohlene Blicke zu, während er mit der linken Hand nach den Oliven griff. Er sagte den ersten Teil des Abends fast gar nichts, als wolle er sich seine Worte für spätere Gelegenheiten aufsparen. Auf mich machte er den Eindruck eines Mannes mit einem Geheimnis, doch das lag möglicherweise an dem Ausdruck selbstgefälliger Klugheit, den er wie so viele andere Philosophen kultivierte.
Dionysius reservierte und leicht säuerliche Miene stand im krassen Gegensatz zu der des lokalen Geschäftsmannes und Baumeisters Orata, der über Eck mit dem Universalgelehrten saß. Orata war fast kahl, nur ein schmaler Siegeskranz aus rotblondem Haar krönte sein Haupt. Er hatte die füllige Statur eines Mannes, der über seinen Erfolgen fett geworden war. Sein plumpes, leicht zerstreutes Gesicht wirkte inmitten der allgemeinen Niedergeschlagenheit irgendwie fehl am Platze. Als er zu mir herübersah, wußte ich nicht, ob er mich auf den ersten Blick mochte oder nur formvollendet lächelte, um andere Reaktionen zu verbergen. Die meiste Zeit schien er kaum Notiz von mir zu nehmen, weil er damit beschäftigt war, seinen Tischsklaven anzuhalten, ihm die Oliven zu entkernen und Kümmelsauce nachzuschenken.
Der in die Jahre gekommene Schauspieler Metrobius, der zu meiner Rechten Platz genommen hatte, nickte mir, als ich vorgestellt wurde, kurz zu und wandte sich dann sofort Gelina zu. Er hatte sich auf die rechte Seite gelegt, sie sich auf ihre linke, so daß sie fortwährend die Köpfe zusammenstecken konnten. Sie flüsterten miteinander, wobei Metrobius hin und wieder seine Hand ausstreckte und die ihre tröstend tätschelte. Sein langes, wallendes Gewand bedeckte ihn von Kopf bis Fuß; das feingesponnene Leinen wirkte auf den ersten Blick beerdigungsschwarz, aber bei genauerem Hinsehen erkannte ich, daß es in Wahrheit dunkelviolett war. Um Hals und Handgelenke trug er Gold, am Ringfinger der linken Hand einen dicken, juwelenbesetzten Ring, der jedesmal aufblitzte, wenn er den Becher hob. Metrobius war, so hieß es, die große Liebe von Sulla gewesen, lebenslanger Gefährte und Freund des Diktators, der sämtliche der zahlreichen Ehen und Affären Sullas unbeschadet überstanden hatte. Über welche körperlichen Reize er als junger Mann auch immer verfügt haben mochte, sie waren lange verblüht, aber in der Art, wie er sein volles, weißes Haar trug, lag eine selbstbewußte Würde, und sein faltiges Gesicht strahlte eine unverwüstliche Schönheit aus. Ich dachte an jenen Abend vor zehn Jahren, als ich ihn vor Sulla hatte
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