Die Pforten Des Hades
auftreten sehen, und erinnerte mich an den ungeheuren Zauber seiner Präsenz. Obwohl er sich Gelina zugewandt hatte, konnte ich die charismatische Macht spüren, die von ihm ausging, so deutlich wie den Duft von Myrrhe und Rosen, der in seinen Kleidern hing. Jede seiner Bewegungen war von einer ungekünstelten Eleganz, und das tiefe, gedämpfte Murmeln seiner Stimme war so beruhigend wie das Trommeln von Regentropfen in einer Sommernacht oder das Rauschen des Windes in den Bäumen.
Von mir und Eco einmal abgesehen, sahen sie aus wie die typische Gesellschaft, die sich zum Abendessen in einer Villa in Baiae versammelt - ein Soldat und ein Patrizier, eine Malerin und ihre Assistentin, ein Gelehrter und ein Baumeister, ein Schauspieler und die Gastgeberin. Der Gastgeber fehlte - oder er lag, um präzise zu sein, auf einer elfenbeinernen Bahre im Atrium -, aber an seiner Statt erwarteten wir den reichsten Mann Roms. Bisher jedoch hatte Marcus Crassus noch nicht geruht zu erscheinen.
In Anbetracht der illustren Runde war die Konversation überraschend zwanglos und nichtssagend. Mummius und Faustus besprachen leise die Tagesgeschäfte und den Stand der Vorbereitungen für Crassus Lager am See Lucrinus; Iaia und Olympias tuschelten miteinander; der Philosoph brütete über seinem Mahl, während der Geschäftsmann offensichtlich jeden Bissen genoß; Gelina und Metrobius schienen alles um sich herum vergessen zu haben. Schließlich trat der Sklavenjunge Meto hinzu und flüsterte Gelina etwas ins Ohr. Sie nickte und schickte ihn hinaus. »Ich fürchte, Marcus Crassus kann leider doch nicht an diesem Essen teilnehmen«, verkündete sie. Ich hatte gedacht, daß meine Anwesenheit der Grund der spürbaren Spannung gewesen sei oder auch die Aura des Todes, die über dem Haus lag, aber in diesem Moment schien der versammelte Haushalt einen Seufzer der Erleichterung zu tun.
»Verhindert wegen seiner Geschäfte in Puteoli, was?« fragte Mummius, den Mund voller Seeigel.
»Ja. Er läßt wissen, daß er sich selbst um Verpflegung kümmern und anschließend zurückreiten wird. Wir brauchen also nicht länger zu warten.« Sie machte den Sklaven ein Zeichen, worauf diese die Vorspeisen abtrugen und das Hauptgericht servierten - ein süß-saures Ragout aus Schinken, Zitronen und Äpfeln, mit Liebstöckel und Pfeffer gewürzte Klöße aus Meeresfrüchten sowie Fischfilets mit Lauch und Koriander, alles angerichtet auf silbernen Tellern und begleitet von einer Gerstensuppe mit Linsen und Kohl, die wir aus kleinen Tonschalen löffelten.
Mit dem Fortgang des Mahls wurde auch die Konversation angeregter. Hauptgesprächsthema war Essen. Tod und drohendes Ungemach, politische Ambitionen und die Bedrohung durch Spartacus wurden ignoriert zugunsten der jeweiligen Vorzüge von Hase und Schwein. Auch Rindfleisch fand Erwähnung, wurde jedoch allgemein für ungenießbar erklärt. Faustus Fabius meinte, daß Rinder mit Ausnahme ihres Fells nutzlos seien, während der Philosoph in belehrendem Ton ausführte, daß die Barbaren im Norden tatsächlich lieber Kuh als Ziegenmilch tranken.
Sergius Orata schien so etwas wie ein Fachmann im Handel mit Gewürzen und anderen Delikatessen aus dem Orient zu sein. Einmal war er bis nach Parthia gereist, um die dortige Marktlage zu sondieren, und am Euphrat mußte er sich mit Rücksicht auf die Regeln der Höflichkeit sogar ein Getränk aus gegärtem Gerstensaft einflößen lassen, das die Parther dem Wein vorziehen. »Es hatte exakt die Farbe von Urin«, erzählte er lachend, »und genauso hat es geschmeckt!«
»Woher willst du das wissen? Trinkst du etwa regelmäßig Urin?« fragte Olympias und senkte schüchtern den Kopf, so daß eine Strähne ihres blonden Haares in ihr Gesicht fiel. Iaia warf ihr einen Blick zu und unterdrückte ein Lächeln. Oratas Glatze verfärbte sich rosa, während Mummius dröhnend lachte.
»Besser Urin als Bohnen!« rief Dionysius. »Ihr kennt doch Piatos Rat: Man muß das Reich der Traume jede Nacht mit reiner Seele betreten.«
»Und was hat das mit Bohnen zu tun?« wollte Fabius wissen.
»Die Ansicht des Pythagoras ist dir doch sicher vertraut? Bohnen verursachen heftige Blähungen, ein Zustand, der auf Kriegsfuß steht mit einer reinen Seele auf der Suche nach Wahrheit.«
»Also wirklich, als ob es die Seele wäre und nicht der Bauch, der sich bläht!« rief Metrobius, bevor er sich zu mir beugte und seine Stimme senkte. »Diese Philosophen - keine Idee ist ihnen zu absurd.
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